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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Wer glaubt daran?«
    »Alle! An der Spitze der Pope!«
    »Es geht nicht«, sagte sie entschieden. »Morgen oder übermorgen, in der Nacht, laufe ich weiter. Wenn du mir ein paar Büchsen mitgibst … Ich kann lange davon leben. Man kann den Inhalt auch kalt essen, nicht wahr?«
    »Du bleibst!« sagte Tassburg laut. »Und jetzt reden wir nicht mehr darüber. Wissen wir, wie die Welt in zwei Tagen aussieht?«
    »Sie hat sich in der Taiga nicht verändert …«
    »Siehst du! Und deshalb sind wir jetzt hier, um auch Sibirien in ein neues Zeitalter zu führen. Du lebst in einem unschätzbar reichen Land!«
    »Dieser Urwald …«
    »Unter den Wäldern liegen Gold und Diamanten, Nickel und Uran, Erdöl und Erdgas, Eisenerze und Kupfer, Mangan und Kohle!«
    »Und das alles suchst du?«
    »Einen Teil davon. Wenn wir es gefunden haben, werden hier neue große Städte entstehen, Kraftwerke, Staudämme, deren Turbinen elektrischen Strom in die fernsten Gebiete der Taiga liefern; Hunderttausende werden in das neue reiche Land ziehen, die Sowjetunion wird der mächtigste Staat der Welt werden …«
    »Aber es wird immer irgendwo einen Kassugai geben, der Mädchen kauft, indem er den Eltern eine bessere Stellung verspricht. Kannst du das verhindern?«
    Sie hat recht, dachte Tassburg beklommen. Verdammt, da ändert sich nichts, nur die Bezeichnungen wechseln. Kein Mädchenkauf – sondern Aufstieg in eine sozial bessere Schicht. Wie ist es in Moskau? Der Genosse Planungsleiter liebt seine Sekretärin, und deren Eltern haben vor einem Jahr die Kantine übernommen. Es gab viele Bewerber, Fachleute, wirklich gute Köche. Aber nein – die Eltern bekamen die Kantine, und der Planungsleiter gab hinterher ein großes Fischessen für alle Mitglieder der Kommission, die dem zugestimmt hatten. Sie nannten es Fisch … Aber es war kaspischer Kaviar und grusinischer Wein …
    »Sagen wir es so …«, meinte Tassburg und sah Natalia Nikolajewna kurz an. »Nach zwei Tagen reden wir weiter. Mir wird schon etwas einfallen, daß keiner auch nur zwei Meter an das Haus herankommt. Wenn sie schon an Geister glauben, sollen sie auch von den Geistern etwas haben …« Er stand auf, und sofort sprang Natalia von ihrem Schemel auf und flüchtete an die mächtige Ofenwand.
    »Ich fasse dich nicht an!« sagte Tassburg mit belegter Stimme.
    »Alle Männer wollen doch nur Mädchen haben!«
    »Das klingt bitter.«
    »Ein gutes Essen, ein gutes Getränk … Und dann wollen die Männer belohnt werden!«
    »Traust du mir das zu?«
    »Alle meine Freundinnen sind in Mutorej so von den Männern genommen worden! Alle! Sie haben es erzählt: eine Flasche Birkenwein, und man riß ihnen den Rock herunter.«
    Sie ist völlig verstört, dachte Tassburg. Sie hat einen großen seelischen Schock erlitten. Für sie ist dieses Leben eine einzige Hetzjagd und eine immerwährende Flucht. Man muß sie ganz behutsam zu den Menschen zurückführen, ihr den Glauben an das Gute wiedergeben. Das Bewußtsein, wie schön, es ist, zu leben! Die Freude, jung und schön zu sein! Das Gefühl, lieben zu können!
    »Ich fasse dich nicht an.« Er wandte sich ab und ging zur Tür des Schlafraums. Das Wort ›lieben‹ ließ ihn nicht los, und wenn er Natalias Augen dabei ansah, spürte er eine angenehme Wärme in sich. Welche Dummheit! dachte er, böse auf sich selbst. Was soll das?
    Du hast dich hier um Erdgas zu kümmern, um weiter nichts! Aber – jetzt ist ein Mensch da, den man jagt, auf dessen Kopf 1.000 Rubel ausgesetzt sind, nur weil er nicht ins Bett eines sicherlich vollgefressenen Natschalniks will! Man sollte dafür sorgen, daß dieses Mädchen bald in Sicherheit kommt. Aber dieses warme Gefühl in dir, Michail Sofronowitsch, das begrabe!
    Er kam zurück in das Wohnzimmer. Natalia lehnte noch an der Ofenwand. »Ist Kassugai dick und fett?« fragte er.
    »Nein. Nicht größer als ich und schlank. Aber schwarze fettige Haare hat er und einen herunterhängenden Tatarenbart. Und wenn er lacht, zittern alle anderen. Er lacht immer, wenn er etwas Böses tut.«
    »Ein wahres Herzchen!« sagte Tassburg. »Wo willst du schlafen?«
    »Im hinteren Zimmer steht ein altes Bett.«
    »Ich weiß. Aber es hat nur Bretter, keine Matratze.«
    »Auf Steinen schläft es sich härter. Ich habe ein Dach über mir, was will ich mehr!«
    »Du kannst in meinem Feldbett schlafen.«
    »Und du?«
    »Ich lege mich auf die Eckbank.«
    »Das alte Bett genügt mir aber …«
    »In diesem Bett sind fünf Männer

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