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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sind kein Alkoholiker, haben keine Paralyse, die Parkinsonsche Krankheit scheidet völlig aus, Ihr Skelett ist das eines Preisboxers, Ihre Muskulatur ist phänomenal. Sie sind der Typ, der durch die Taiga in gerader Linie ziehen kann und alles, was im Weg steht, umrennt, und trotzdem schwanken Sie, als hätten Sie Brei statt Knochen im Körper. – Tassburg, Sie sind der beste Simulant, der mir je untergekommen ist!«
    »Das müssen Sie mir beweisen, Doktor«, antwortete Michail.
    »Muß ich das? Möchten Sie das gern? Hören Sie, Ihretwegen fahre ich drei Tage durch die Wildnis an der Tunguska entlang in dieses Scheißdorf! Ihretwegen werden mir Lenkrad und Benzin geklaut. Ihretwegen sitze ich nun hier fest, denn wie ich wieder nach Batkit kommen soll, das weiß ich noch nicht. Mit einem Bauernkarren dauert es zehn Tage! Bleibt nur noch der Hubschrauber, den Sie herbeirufen könnten – falls einer einsatzfähig ist.«
    »Aus Omsk kann immer einer kommen …«
    »Das beruhigt mich.« Dr. Plachunin beugte sich über Tassburg und klopfte ihn von neuem ab. Er mußte etwas tun, denn am Zaun standen die anderen und starrten herüber. »Nun gestehen Sie, Michail Sofronowitsch, warum das Spiel? Was haben Sie? Warum wollen Sie ausgerechnet in diesem von aller Welt vergessenen Winkel der Taiga den Winter verbringen? Denn darum geht es Ihnen doch.«
    »Sie sind ein vorzüglicher Arzt! Ihre Diagnose stimmt genau!« sagte Tassburg leise.
    »Mich täuscht so leicht keiner, Michail Sofronowitsch! Ich kann zwar manchmal eine Krankheit falsch einschätzen, aber wenn einer gesund ist, das merke ich! Vertrauen Sie sich mir an.«
    »Kann ich das?«
    »Ich lasse Sie vor den anderen krank sein … Ist das kein Beweis?«
    Tassburg holte tief Atem. »Ich brauche sofort ein gutes Mittel gegen einen Nervenschock und das damit verbundene Fieber. Ich brauche ein Mittel, das völlig außer Rand und Band geratene Nerven dämpft, sie beruhigt, ihnen Zeit gibt, wieder normal zu werden.«
    »Mann, Sie haben doch armdicke Drahtseile als Nerven!«
    »Gibt es solche Mittel, Doktor?«
    »Natürlich. In der Psychiatrie. Aber Sie sind doch nicht … Außerdem habe ich solche Drogen nicht bei mir. Wozu auch? In der Taiga werden Verrückte als Heilige verehrt, in Batkit schafft man sie nach Omsk in geschlossene Anstalten, und wer in seiner Familie irgendwo im Wald einen solchen Fall hat, ruft weder mich noch den Facharzt, sondern sorgt dafür, daß der liebe Verwandte im richtigen Moment verunglückt. Was soll's also?«
    »Dann sind Sie für mich nicht zu gebrauchen. Ich muß das Medikament haben!«
    »Für wen, zum Teufel?«
    »Richtig! Bleiben wir dabei – für den Teufel!«
    »Sie verbergen uns allen etwas …«
    »Sie haben es erraten!«
    »Und Sie sagen es auch mir nicht?«
    »Noch nicht …«
    »In dem geheimnisvollen Haus, in dem die Gräfin Albina seit hundertfünfzig Jahren spuken soll, ist jemand!«
    »Ja.«
    »Sie verlangen viel von mir, Michail Sofronowitsch. Wissen Sie das?«
    »Weil ich Vertrauen zu Ihnen habe, Ostap Germanowitsch, ja! Aber sollten Sie dieses Vertrauen enttäuschen, bringe ich Sie um!«
    »Das ist mir klar.« Dr. Plachunin tat, als habe er bei Tassburg etwas im Leib entdeckt. Er beugte sich tiefer über ihn. Hinter dem Zaun rieb sich Gasisulin ungeniert die Hände.
    »Ich habe nur Kalziumspritzen bei mir, die helfen bei Schocks immer, und ein paar Röhrchen mit Schlafmitteln, Kapseln gegen Nervenschmerzen und Kreislauftropfen. Und natürlich mein chirurgisches Besteck, aber das nützt Ihnen ja nichts.«
    »Nein, aber alles andere.«
    »Ich gebe Ihnen genügend mit. Können Sie injizieren? Kalzium muß intravenös gespritzt werden, ganz langsam, ganz behutsam, sonst wird es glühend heiß im Körper.«
    »Ich weiß. Ich habe es schon erlebt. Bei einem jungen Arzt, aber er stoppte rechtzeitig ab.«
    »Und Sie trauen sich eine intravenöse Injektion zu?«
    »Ich muß es versuchen. Wir haben, bevor wir in die Taiga geschickt wurden, einen Sanitätskurs mitgemacht. Ich werde mich schon nicht zu dumm anstellen!«
    »Aber Sie könnten eine Luftembolie spritzen!«
    »Doktor, ich passe auf. Es ist, als ob es um mein Leben ginge.«
    »Dann kann es sich nur um eine Frau handeln!« Plachunin blickte zum Haus hinüber. »Ein raffiniertes Versteck. Keiner wagt es, das Haus zu betreten. Nur, wie wollen Sie es eines Tages verlassen?«
    »Der Winter ist lang, Ostap Germanowitsch!«
    »Aber der Frühling kommt bestimmt.« Dr. Plachunin

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