Natascha
Gaskocher, den eine rote Flasche mit Brennstoff speiste. Auf ihm kochte Högönö ein Gulasch mit Nudeln, ein Luxus, den die anderen Reisenden neidvoll bemerkten und schnuppernd an der Tür standen, um einen Geruch von staatlicher Protektion mitzubekommen.
»Sie sehen, Natascha Tschugunowa, daß man alles tut, um Ihnen das Leben zu erleichtern. Zeigen Sie sich erkenntlich und seien Sie weniger störrisch. Man behandelt Sie wie den Augapfel Stalins … nein, noch besser, denn Stalin hat zwei Augen, Sie aber nur eine Stimme. Eine einmalige, Sie wissen es!« Ulan Högönö entkorkte eine Flasche mit dem berühmten ›Jushnobereshnyi‹, dem rosa Muskatwein von der Südküste, der schmeckt wie ein zerkautes Blatt der Teerose von Kasanlik.
Aus dem Reisekoffer holte er zwei geschliffene Gläser hervor, füllte sie mit dem rosa Wein und hielt Natascha ein Glas hin.
»Trinken wir auf Ihre Zukunft! Wenn Sie von Khuzhir hinaus in die Welt ziehen, wenn Ihnen die Millionen Menschen jubelnd zu Füßen liegen, werden Sie sagen: Mein Vaterland, ich danke dir für deine Strenge …«
»Man hat Sie gut ausgebildet auf der Parteischule, Ulan«, sagte Natascha. Das Glas Wein trank sie durstig aus, und Högönö tat es ein wenig weh, dies zu sehen, denn den Jushnobereshnyi soll man schlürfen und über die Zunge gleiten lassen wie ein Streicheln. »Was erwartet mich auf dieser widerlichen Insel?«
»Sie werden sie nicht widerlich finden, Natascha. Sie ist ein Paradies. Von ihr träumen werden Sie, wenn Sie in nüchternen Hotelzimmern sitzen werden, umgeben von Menschen, die Speichel lecken und vor Ihnen kriechen, um von Ihrem Stiefelabsatz getreten zu werden, was ihnen die größte Wonne bereitet. Sie werden ein Schloß sehen, am Ufer der Insel, gegen das im Sommer das blaue Wasser des Baikalsees spült. Tausende wilder Schwäne ziehen über das Schilf, über die Wellen erklingt der Gesang der Fischer, und von China und der Mongolei her wehen die heißen Winde und flüstern in den Bäumen …«
»Wie zärtlich Sie werden, wenn Sie von Ihrer Heimat sprechen.« Sie sah aus dem Fenster auf die vorbeifliegende, glatte Schneewüste. »Aber alle Worte wiegen nicht auf, daß Tausende Werst zwischen Luka Nikolajewitsch Sedow und mir liegen. Ich liebe diesen Mann, und ich werde darum kämpfen, daß er zu mir oder ich zu ihm komme! Heißt es nicht im Parteiprogramm, daß die Familie das Wichtigste im Arbeiterstaat ist?«
Högönö nickte und schüttete ein neues Glas des rosa Weins ein. »Alle Programme haben zwei Gesichter, Genossin. Sehen Sie – wir fahren in einem langen Zug. Noch vierhundert andere Genossen fahren mit, alles gute Kommunisten, will ich meinen. Sie haben wie wir den Krieg mitgewonnen, sie haben die Deutschen besiegt. Und nun gehen Sie von Abteil zu Abteil … Sie werden sie enggedrängt sitzen sehen, mit hohlen Augen und übermüdet. Sie werden aus ihren Körben dunkles, glitschiges Brot essen und einen kalten Grützebrei, vielleicht haben sie sogar nur einen Stakan (Wasserglas) Sonnenblumenkerne bei sich, und der Boden ihrer Abteile ist übersät mit ausgespuckten Schalen. Und dann sehen Sie uns an … ein eigenes Abteil für uns zwei, einen Gaskocher mit Nudeln und Gulasch, eine Flasche Wein, der beste, der im Süden wächst, und nachher – wenn Sie wollen – sogar eine helle, türkische Zigarette. Ist das ein Unterschied, Genossin? Ich will es meinen. Und doch sind sie dort draußen und wir hier drinnen alles gute Kommunisten, wir sind im Parteiprogramm gleich und frei und brüderlich … Soll man darüber weinen oder lachen, Genossin Natascha?«
»Man sollte weinen, Högönö, über den Betrug.«
»Doch wird es dadurch besser? Schätzen Sie sich glücklich, zu den Bolschewisten zu gehören, die zwischen den Zeilen der Programme stehen.« Ulan Högönö stieß mit seinem Glas an Nataschas Glas an. »Einen Toast auf die Kunst, zu leben!« rief er.
In Irkutsk stiegen sie um und ratterten mit einer alten Bahn über Ust – Ordinskiy nach Yelantsy und Togot. Dort erwartete sie ein Schlitten, weil der Zug nicht weiterkonnte. Die Schienen waren vereist, und es gab hier keine Lokomotiven, die die Gleise mit Flammenwerfern eisfrei hielten.
Spät am Abend sahen sie aus den verhüllenden Decken und Pelzen die Türme von Khuzhir und das große, vielfenstrige Schloß in einem Park.
»Es gehörte einem Fürsten Chuiskij, einem dicken Mann, der nach der Oktoberrevolution in seinem eigenen Schwimmbecken ersäuft wurde, wie
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