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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mailänder Scala und die Oper von Buenos Aires. Es würde ein regelrechter Aufmarschplan ausgearbeitet werden, von den besten Experten im Kultusministerium in Moskau.
    Nur eine Frage war offengeblieben, die man in Moskau als unwesentlich betrachtete und deren Lösung man Ulan Högönö überließ: Was geschah mit Luka? Daß er nach Khuzhir mitfuhr, war ausgeschlossen worden. In Saratow konnte er nicht bleiben, denn die Stelle eines Hausmeisters wurde neu besetzt mit einem unteren Beamten. Sie kamen jetzt alle zurück aus den deutschen Gefangenenlagern und aus der Roten Armee und verlangten eine angemessene Stellung. Man mußte sie unterbringen und dafür Luka entlassen, der keine behördlichen Rechte anzumelden hatte.
    Högönö dachte an diese Probleme während seiner Verlobungsrede und beendete sie schnell. Dann aß man zwei große Torten auf, Luka sang ein Lied aus der Taiga, wie es angeblich die Pelztierjäger singen, wenn sie einen guten Fang gemacht haben und nachts um die Lagerfeuer sitzen. Für das feine Ohr Högönös war dieses Lied eine körperlich schmerzhafte Qual.
    Eine Woche später kam Sedow aufgeregt zu Natascha. Er hatte den Bescheid erhalten, daß man ihn in die große staatliche Atomforschungsstelle nach Kolpaschewo versetzte.
    »In die Sümpfe!« rief Sedow erregt. »Nach Tomskaja! Mitten im Moor liegt es! Selbst die Wölfe ziehen sich dort zurück, weil es zu einsam ist! Was sollen wir tun?«
    Natascha las den Befehl. Er kam aus Moskau und ließ Sedow nur die Zeit, seinen Arbeitsplatz in Saratow zu übergeben und seine Sachen zu packen. Schon morgen ging der Zug nach Nordosten, in die sibirische Weite hinein, wo ein Mensch weniger ist als ein Sandkorn im Wind.
    Ein Platz in dem Zug war reserviert, eine Dienstfahrkarte lag bei. Es gab keinen Aufschub mehr und keine Weigerung.
    »Ich werde Moskau anrufen!« sagte Natascha. »Ich bin eine ›Heldin der Nation‹ und habe den Leninorden … man wird mich nicht abweisen.«
    Ulan Högönö zuckte nur die Schultern, als Natascha ein Gespräch nach Moskau verlangte. »Das Sekretariat des Zentralkomitees der Partei und das Ministerium für die Verteidigungsindustrie!« sagte sie. Ulan Högönö schüttelte den Kopf.
    »Was versprechen Sie sich davon, Natascha?«
    »Man wird die Versetzung Luka Nikolajewitschs rückgängig machen!«
    »Es ist schlimm, daß Sie sich nicht daran gewöhnen können, daß wir jetzt im Frieden leben! Alles ist anders geworden, Genossin. Vor zwei Jahren hätte man Sie angehört, aber heute sind die Sorgen anders, und mit ›Helden der Nation‹ kann man den Roten Platz pflastern. Sie werden es hören, Natascha …«
    Über eine halbe Stunde sprach sie mit Moskau. Dann legte sie den Hörer zurück und sah Högönö mit großen, dunklen Augen an. Der Mongole hob stumm die Hände, als wolle er sagen, er habe sie gewarnt.
    »Sie reden von Sabotage«, sagte Natascha leise.
    »Ich weiß –«
    »Sie drohen mir –«
    »Es ist eine neue Zeit, Natascha.«
    »Kein Zurück gibt es mehr für Luka Nikolajewitsch.«
    »Haben Sie wirklich an eine Möglichkeit geglaubt?«
    Natascha saß wie versteinert und starrte auf das schwarze Telefon. Dann warf sie die Hände vor das Gesicht und weinte. Ulan Högönö war erschüttert. Auch weinen kann sie, dachte er. Ich habe sie für so hart gehalten, daß nichts sie zu Tränen zwingen kann. Und nun weint sie wirklich.
    Luka Nikolajewitsch Sedow fuhr nach Kolpaschewo. Natascha und Luka brachten ihn zum Zug, reichten ihm einen geflochtenen Korb mit Eßwaren ins Abteil und eine Flasche Tee, deren Inhalt Luka mit einigen Güssen Wodka gewürzt hatte.
    Zum Abschied gab ihm Natascha ein Bild von ihr. Ein Fotograf in Saratow hatte es schnell angefertigt. Ein bißchen verwackelt war's und unscharf, aber die Augen und der Mund Nataschas waren auf ihm so plastisch, daß Sedow es an seine Lippen drückte.
    »Jede Woche werde ich dir schreiben!« rief er, als der Zug abfuhr und er sich aus dem Fenster lehnte. »Und Anträge werde ich schreiben, immer und immer wieder!« Er winkte mit beiden Armen, und der Fahrtwind blähte seine blonden Haare und wirbelte sie vor seine Augen.
    »Vergiß mich nicht, Natascha!« schrie er in das Zischen der Lokomotive. »Vergiß mich nicht –«
    »Ich komme zu dir!« schrie sie zurück. »Auch ich werde Anträge stellen … Ich liebe dich, Luka Nikolajewitsch … hörst du … ich liebe dich …«
    Sie winkten, bis der Zug im Schneenebel unterging. Luka putzte sich die Nase.
    »So

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