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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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langweilig gewesen sein! Plötzlich hatte er es eilig, fortzukommen. Er drückte allen die Hand, aß noch eine halbe Dauerwurst, die ihm Olga auf den Weg mitgegeben hatte, und machte sich auf, die Steppe nach Süden zu bezwingen.
    Auch der Ersatzteiltrupp fuhr zurück nach Trojany.
    »Nein!« hatte der Feldwebel gesagt. »Von Fedja Iwanowitsch Astachow haben wir nichts gehört. Sicher, er war da, hat die gebrochene Achse gemeldet. Aber dann ist er weiter. Tut mir leid, Genossen. Mehr weiß ich auch nicht.«
    Die Stille des Winters senkte sich wieder über die Datscha Tschugunows von der Sowchose Krassnoje Mowona. Der Sturm begann wieder zu heulen, der Schnee wirbelte wieder, in den Wäldern krachten die gefrorenen Stämme auseinander, wie Kanonenschläge klang es durch die Nacht, und um das Haus schlichen wieder die hungrigen Wölfe und heulten in den Kamin hinein.
    Drei Wochen … sechs Wochen … vier Monate …
    Natascha sprach nicht mehr über Fedja Astachow. Nur Olga und Nikolai Igorowitsch atmeten auf, als Nataschas Liebe ohne Folgen blieb.
    »Ein Glück ist wenigstens das«, sagte Olga abends auf dem Ofen, während Natascha noch im Stall war und den Pferden das Stroh aufgabelte. »Nur schwer wird's sein, sie anständig zu verheiraten! Wer beißt schon in ein angeknabbertes Stück Kuchen?!«
    Nikolai seufzte tief. Sein Vaterherz war voll Galle. Erwürgen könnte er diesen Fedja, jawohl … Aber Fedja war weit, irgendwo, und Natascha war still geworden in diesen Wochen. Oft saß sie am Fenster und starrte gegen den Schneeberg, der sich draußen vor ihr auftürmte. Es konnte vorkommen, daß sie dann die Augen schloß und ihre Hände streichelnd über ihren ganzen Körper glitten. Dann träumte sie von Fedjas Zärtlichkeiten … damals, in dem kleinen, heißen Zimmer von Tatarssk, vor dessen Fenster das Eis auf der Gorodnja krachte.
    Vier Monate war es her. Fast ein halbes Jahr. Und in ihrem Ohr war noch immer seine Stimme, als liege er gerade neben ihr und drehe ihre langen, schwarzen Haare um seine Finger.
    Im fünften Monat, im März 1939, als die Kälte vor dem ersten Südwind zerbrach und die Flüsse über die Ufer traten, kam Luka, der Idiot, nach Krassnoje Mowona.
    Er hatte schon seine Sommeruniform an, die grüne Bluse mit den aufgesetzten Taschen, fuhr einen kleinen, klapprigen, alten Wagen und hielt laut hupend vor der Datscha Tschugunow.
    »Luka!« schrie Natascha. Sie rannte durch die Schmelzwasserpfützen zu dem Wagen, mit ausgebreiteten Armen und jauchzendem Weinen.
    »Luka … du bist da!« schrie sie. Fast sprang sie ihn an, küßte das breite, grinsende Gesicht mit den dicken Stoppeln, klammerte sich an seiner Bluse fest und schüttelte sie. »Wo ist er … wo ist Fedja … sag es doch … sag es … Wo ist er …?! Kommt er …?! Hast du einen Gruß von ihm … ein Briefchen … ein paar Zeilen … nur ein Wörtchen …«
    Luka kratzte sich den kahlrasierten Schädel. »Alles und nichts«, sagte er brummend. »Komm ins Haus, mein Täubchen. Ich muß mit Olga und Nikolai Igorowitsch ein Wort sprechen.«
    »Sieh, wer da kommt!« rief Nikolai von der Tür her. »Der Bär hat überwintert, und nun sucht er Honig, was?! Komm 'rein, Brüderchen …«
    Alle standen sie vor dem Haus, Olga Tschugunowa, Nikolai und Natascha, um deren Lippen unausgesprochene Fragen zitterten. Es war ein königlicher Empfang, empfand Luka. Er kratzte sich wieder seinen riesigen Knollenschädel, zog die grüne Militärbluse straff über die Hose, rückte das Koppel gerade und marschierte dann mit dröhnenden Schritten auf die Tschugunows zu. Kurz vor Nikolai Igorowitsch blieb er stehen, knallte die Hacken zusammen, grüßte, als sei Nikolai ein General, und sagte dann:
    »Nikolai Igorowitsch … im Namen des Unterleutnants Fedja Iwanowitsch Astachow bin ich hier als Hochzeitsbitter. Wollt ihr ihm Natascha zur Frau geben?!«
    »Fedja …«, stammelte Natascha. Ihr Herz blieb stehen. Dumm war das. Wo man es brauchte, war es nicht mehr da. Sie lehnte sich gegen die Hauswand und drückte die Hände auf die Brust. Ganz blaß war es geworden, das Vögelchen, und weich in den Knien, und auch Olga Tschugunowa mußte sich auf die Bank aus Birkenknüppeln setzen und erst einmal Luft holen, ganz tief.
    Nikolai Igorowitsch tat, als erschüttere ihn dies nicht. Auch ihm kribbelte es in der Brust, und er hatte Lust, ein paarmal tief zu seufzen und Gott zu danken. Aber Gott war abgeschafft, und ein Sozialist ist hart und durch nichts zu

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