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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ruckten an.
    Die Kufen des Schlittens knirschten, ein Schreien war es fast, als der eiserne Beschlag über das Eis rutschte. Bis zu den halben Beinen versanken die Pferde im Schnee … sie stampften mit vorgestreckten Köpfen und rauchenden Nüstern, fast ein Springen war's gegen eine weiche weiße Wand, bis sie festeren, verharschten und vereisten Schnee erreichten und über die Steppe hinausglitten in die Weite.
    Fedja winkte zurück. Die Tasche mit den Geheimpapieren lag neben ihm. Er sah Luka mit beiden Armen winken, und er sah, wie Nikolai Igorowitsch fast segnend die Rechte empor streckte.
    Und wirklich sagte Nikolai Igorowitsch leise: »Gott segne dich, mein Täubchen –«
    Luka verzog das Gesicht. Eine Erinnerung quoll in seinem verhärteten Gesicht auf. In Sibirien, in der Hütte in der Taiga … eine alte Frau … vor einer Ikone, kniend, den Kopf gesenkt. Und neben ihr der kleine, einfältige Luka, an einer Rübe kauend …
    Luka senkte den Kopf. Er schielte nach allen Seiten. Niemand sah es. Da bekreuzigte er sich schnell und wandte sich dann ab und rannte in den Stall zurück. Auch ein Idiot kann sich schämen. Wie man sieht …
    »Heij!« rief Natascha. Sie hatte die Zügel fest in den Händen. Der Schlitten flog über die Ebene, immer am Waldrand entlang, dem Norden zu, wo Tatarssk liegen sollte. »Heij! Fliegt, ihr Schwälbchen … wollt ihr wohl laufen, ihr Ziegenböcke … Dawai – dawai –« Sie ließ die Peitsche über die vorgestreckten Köpfe der Pferde wippen. Ab und zu drehte sie sich um und sah Fedja an. Ihr kleines Gesicht war gerötet, war erleuchtet vom Glück, Fedja fahren zu dürfen, bei ihm zu sein, ganz allein, nur Steppe und Himmel und Wald um sie und der Schnee, der um sie tanzte, als sei ihr Herzschlag wie eine himmlische Musik.
    »Ich werde dich gleich ablösen«, sagte Fedja. Er saß im warmen Stroh, die Felldecke bis zum Kinn. Wie trunken betrachtete er die Gestalt vor sich.
    Natascha sah wieder zurück. »Das wird nicht gehen, Genosse Unterleutnant. Ilja und Natalja hören nur auf mich –«
    »Glückliche Pferde –« Fedja lehnte sich zurück. »Du streichelst sie, du liebkost sie – ich möchte ein Pferd sein, Natascha –«
    Nach zwanzig Minuten kamen die Wölfe.
    Seitlich brachen sie hervor, aus dem Wald, ein Rudel mit aufgerissenen blutigen Mäulern und einem Leitwolf, der wie ein grauer Riesenvogel vor ihnen her über die Steppe flog. Die Pferde zitterten … vom Kopf über den Nacken bis zu den Flanken bebten sie vor Schreck und Angst. Schnaubend senkten sie die Köpfe und rannten um ihr Leben. Der Schlitten hob sich fast von den Kufen. Auf dem Bock beugte sich Natascha vor wie die Köpfe der zitternden Pferde.
    »Heij!« schrie sie grell. »Heij! Heij!«
    Fedja kroch aus dem Stroh. Er riß das Gewehr aus der Decke, warf den Sicherungsflügel herum und drehte sich zur Seite. Neben dem Schlitten her, fast schwerelos wie Schatten, glitten die Wölfe über den Schnee. Sie heulten nicht mehr … struppig, mit offenen Schnauzen, die spitzen Köpfe vorgestreckt, rannten sie hechelnd neben Fedja und Natascha … ein unheimlicher, lautloser Tod.
    Fedja Iwanowitsch drückte das Gewehr an die Backe. Er zielte genau. Dann löste sich der Schuß. Fast erstaunt blieb einer der Wölfe stehen … dann senkte er den Kopf, spie Blut und wälzte sich im Schnee. Über ihn her fielen sieben andere Wölfe und zerrissen ihn, bevor er noch verendet war. Die anderen rannten weiter, neben dem Schlitten her. Aus ihren starren Augen schrie der Hunger.
    Noch sechsmal schoß Fedja Astachow. Dann waren sie alle fort. Nur der große, graue Leitwolf lief noch neben dem Schlitten, blieb ab und zu stehen, heulte langgezogen, und setzte dann mit weiten Sprüngen wieder nach.
    »Heij!« schrie Natascha und peitschte auf die Pferde ein. »Heij!« Der Schlitten schleuderte. Mit beiden Händen hielt sich Fedja fest. Er konnte nicht mehr schießen.
    »Halt die Pferde an, Natascha!« schrie er. »Nur noch einer ist es!«
    Natascha Tschugunowa wandte sich um. Sie sah den blutdürstigen Blick des einsamen grauen Tieres, sah seine mächtigen Flanken und den dicken Kopf. Da hieb sie wieder auf die Pferde ein und ließ die Zügel schleifen.
    »Er ist schneller, als du schießen kannst!« schrie sie gegen den Fahrtwind. »Halte dich fest, Fedja –«
    Der Unterleutnant klammerte sich an das Holz. Wie ein Blatt im Sturm tanzte der Schlitten über den gefrorenen Schnee. Enger, immer enger rückte der große Wolf

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