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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nichts mehr, sein Atem wurde zu einem Keuchen.
    Natascha schrie nicht. Sie schlug nicht um sich, nein, sie wehrte sich nicht. Sie hob nur ein wenig den Kopf, riß den Mund auf, erfaßte mit den Zähnen das linke Ohr des keuchenden Feldwebels und biß zu.
    Wie ein Stier schrie er auf. Er zerrte mit dem Kopf, aber ihre Zähne umklammerten das Ohr, tiefer, immer tiefer drangen sie in das Fleisch, in die Knorpel … der Feldwebel brüllte, er hieb mit beiden Fäusten auf Natascha ein, er stieß seine Knie gegen ihren Unterleib, schlug mit dem Kopf gegen ihre Rippen. Sie ließ nicht los. Erst, als sie das Knirschen hörte, als sie das blutige, abgebissene Ohr in ihrer Mundhöhle hatte, als das Blut über ihr Gesicht strömte und sie erblindete und das Schreien des Feldwebels unmenschlich wurde, spürte auch sie, wie viele Hände sie wegrissen, wie man sie gegen den Wagen warf, auf ihr herumtrat und mit Stiefeln und Seitengewehren auf ihren nackten Körper einschlug.
    Er hat es nicht erreicht, Fedja Iwanowitsch, dachte sie fast glücklich. Unser Kind stirbt unbefleckt … Adieu, Fedja … Nun ist es zu Ende –
    Einen Schlag nur noch spürte sie. Er drang durch ihren Körper, von den Haaren bis zu den Zehen. Ein Schmerz, der ihren Mund öffnete und sie schrill aufschreien ließ. Jemand trat ihr in den Leib, auf das Kind … und mit dem Gefühl, als werfe man sie in siedendes Öl, zerriß etwas in ihr.
    Durch ein Schwanken wachte sie auf. Sie lag auf einem Heuwagen und fuhr durch die Nacht. Neben ihr lag der Feldwebel, den Kopf dick verbunden. Er schlief. Eine Spritze mit einem Schlafmittel hatte man ihm gegeben. Vorn auf dem Bock des Wagens saßen zwei andere verwundete Soldaten. Sie hatten die Gewehre umgehängt und blickten sich ab und zu nach Natascha und dem Feldwebel um.
    Sie stellte sich weiter ohnmächtig und wartete ab, was man mit ihr vorhatte. In ihrem Leib stach und bohrte es. Zu gern hätte sie die Hände auf den Bauch gelegt, sie wußte, das tröstete etwas, aber sie wagte nicht, sich zu rühren.
    Als der Wagen durch ein Loch auf der Straße schlenkerte, drehte sie sich zur Seite und sah an sich herunter. Eine deutsche Uniformhose trug sie, dazu einen alten, grauen Pullover. Ihre Stiefel hatte sie noch an den Füßen, das einzige war's, was ihr geblieben war. Aber nein … neben ihr lag ihr zerrissener Rock. Man hatte sie mit ihm zugedeckt.
    Gegen Morgen hielt der schwankende Wagen. Ein halb verbranntes Dorf. Hunderte von deutschen Autos. Zelte mit einem großen Roten Kreuz auf der Leinwand und Fahnen mit dem Roten Kreuz vor den Eingängen. Viele, viele graugrüne Soldaten, hämmernde Werkstätten, fluchende Menschen, Kochdunst aus qualmenden Kesseln, Blöken von Schafen, Schreie ungemolkener Kühe. Und ein großer Platz, umgeben mit großen Stacheldrahtrollen, ein Eingang mit deutschen Soldaten, rund um den Platz drohende Maschinengewehre. Und auf diesem Platz, Kopf an Kopf, liegend, stehend, kriechend, dreckig, eiternd, stinkend, blutend, bettelnd, betend oder stumpfsinnig, Tausende von erdbraunen Menschen.
    Natascha richtete sich auf. Meine Brüder und Väter, dachte sie. Gefangen … Ob Fedja darunter ist? Plötzlich sprang sie auf, kniete sich in das Heu und legte die Hände an die aufgeschlagenen Lippen.
    »Fedja!« schrie sie grell zu dem Gefangenenlager hinüber. »Fedja Iwanowitsch Astachow! Wer kennt ihn? Wer hat ihn gesehen?! Habt ihr Luka, den Idioten, gesehen?! Wo Luka war, war auch Fedja! He … he …«
    Das Schreien bohrte in ihrem Körper. Wieder krampfte sich ihr Leib zusammen. Der Schmerz wurde unerträglich … nachher war's nur ein Gurgeln …
    »Ruhe, du Hure!« schrie einer der verwundeten Soldaten auf dem Bock. Er drehte sich herum, hob sein Gewehr und schlug Natascha mit dem Kolben auf den Kopf. Sie sank zusammen, fiel über den stöhnenden Feldwebel und jammerte in das Stroh hinein.
    Dann wurde sie vom Wagen gerissen, ein Unteroffizier führte sie in ein Zelt und stieß sie mit dem Knie in den Rücken, als sie, vom Schmerz in ihrem Leib wieder krumm gezogen, sich nach vorn beugte.
    »Hier ist sie, Herr Hauptmann!« meldete der Unteroffizier. »Sie hat dem Feldwebel Bollmeyer ein Ohr abgebissen!«
    Der Hauptmann nickte und winkte. Er saß hinter einem kleinen Klapptisch, trank Tee mit Rum und aß ein Brot mit kaltem Rindfleisch. Als der Unteroffizier gegangen war, schnitt er einen Streifen Brot ab und hielt ihn auf der flachen Hand Natascha entgegen.
    »Willst du?«
    »Njet –«
    Der

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