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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ausrupfte oder vorsichtig hinunter zu einem Bach stieg und schlürfend trank. Sie war wie blind geworden vor Schmerz.
    Umgebracht haben sie sie, die Deutschen, dachte sie, wenn sie zurückblickte und das Donnern in ihrem Rücken hörte. Und die Faust hob sie hoch, ganz hoch, wenn die hellen stählernen Vögel mit den dicken schwarzen Kreuzen auf den Flügeln über ihr ins Land brummten und über andere Dörfer und Städte den Tod abwarfen … über Piotr und Larissa, Igor und Tatjana, die nicht wußten, warum Krieg war, ebensowenig wie Nikolai Igorowitsch Tschugunow und Olga, die Hand in Hand verbrannt waren.
    Natalja lief und lief. Ein Schwanken war es später nur, ein Torkeln, wie ein Betrunkener, der den Weg sucht.
    In der zweiten Nacht kam das Donnern näher. Es wurde zum Klirren von stählernen Ketten. Am Rande eines kleinen Waldes drückte sich Natascha mit Natalja in die Dunkelheit. Dann sah sie die Panzer … viele dunkle, ratternde Kolosse, eine lange Reihe, die langen Rohre der Kanonen drohend nach Osten gerichtet.
    Natalja senkte den Kopf. Wie ein Resignieren war's. Aus ist es, konnte es heißen. Steig ab … hier ist die Welt zu Ende. Mütterchen Rußland ist gestorben. Und in ihren Wunden sitzen die Insekten und brummen.
    Natascha verstand es. Langsam stieg sie ab, setzte sich ins Gras, schlang die Arme um die Knie und starrte hinüber auf die dunklen Kolonnen. Nach den Panzern waren es die großen Lastwagen, dann kamen viele Motorräder, Singen hörte sie, Lachen, Zurufe. Ab und zu zischte eine Leuchtkugel hoch … dann wurde das Land mit flimmerndem Licht überschüttet, nur an den Waldrand kam es nicht. Natalja stand hinter einem Baum. Den Kopf hatte sie an den rauhen Stamm gelehnt und schlief so.
    Gegen Morgen zog ein Fernmeldetrupp der Deutschen eine Telefonleitung von Baum zu Baum. Natascha sah sie auf sich zukommen … vier graugrüne Männer mit runden Helmen, vorweg ein dicklicher Mensch mit einer Mütze auf dem runden Schädel. Er kommandierte, er zeigte auf die Bäume, er brüllte den Soldaten an, der auf dem Rücken die große Trommel trug, von der sich der Draht abwickelte.
    Töten werden sie mich, dachte Natascha. Sicherlich werden sie das! Sie legte die Hände auf ihren Leib und dachte an das Kind Fedjas, das sie in sich trug. Nun wird es nicht leben können, Fedjaschka, dachte sie. Einen dicken Knüppel nahm sie in beide Hände und wartete auf die deutschen Soldaten. Nicht wehrlos wollte sie sein. Nein, um sich schlagen wollte sie, ihre Köpfe treffen, hineinstoßen in die Gesichter.
    »Gieck mol, do is an Pferd!« sagte einer der Soldaten. Er hielt eine Stange mit einer Gabelung in den Händen. Mit dieser Stange legte er das Kabel über die Baumäste. Nun blieb er stehen und zeigte mit der Gabel auf Natalja.
    »Da kann mir ming Trommel schleppe!« sagte der junge Soldat mit der Kabelrolle auf dem Rücken.
    »Schnauze!« Der dickliche Soldat mit der Mütze schob seine Kopfbedeckung in den Nacken. Er schwitzte. Auch kommandieren strengt an. Ein Feldwebel war's, mit silbernen Tressen und einem Stern auf den Schulterklappen. Er winkte, stehenzubleiben, und hob die Pistole.
    »Fressen kann man's auch!« sagte er rauh. »Seit vier Tagen nur Kohlsuppe … Jungs, wißt ihr, wie Pferd schmeckt?!«
    Er ging auf Natalja zu. Ergeben hob sie den Kopf und sah ihn an. Ein paar Schritte ging sie sogar auf ihn zu, torkelnd, mit müden Beinen, struppig, mit versengtem Bauchfell.
    »Das fällt ja um, wenn man's anbläst!« lachte der Feldwebel. Dann hob er die Pistole und schoß. Natalja blieb stehen, ihre Augen waren kugelrund. Mitten in der Stirn klaffte das Loch, die Kugel saß im Gehirn. Sie war schon tot, aber noch immer stand sie und sah den Feldwebel an.
    »Ein zähes Leben haben die russischen Biester!« schrie er. Noch zweimal schoß er. Immer in den Kopf. Dann endlich fiel Natalja um.
    Natascha erhob sich aus dem Gras. Ohne sich umzublicken, ging sie zu Natalja, beugte sich über sie, hob den Kopf hoch und drückte die kalten Nüstern an ihre Wange.
    »Ich werd' verrückt! Ein Weib!« schrie der Feldwebel. Er lief auf Natascha zu. Kurz vor ihr sah er, daß sie einen Knüppel in der Hand hielt. Da blieb er stehen und hob wieder die Pistole.
    »Leg den Knüppel weg!« brüllte er. Natascha erhob sich. Mit gespreizten Beinen stellte sie sich hin, hob den Knüppel und starrte den deutschen Soldaten an.
    »Wie eine Hexe!« lachte der Soldat mit der Gabel.
    »Aber en lecker Hexchen!«
    »Ich tu dir

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