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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kind gestorben … Nichts gibt es, was das wieder versöhnen könnte … auch nicht dein Tod …«
    »Ich wußte es doch nicht!« weinte Bollmeyer.
    »Du hättest es getan, auch wenn du's gewußt hättest. Wir waren ja nichts. Untermenschen waren wir … so habt ihr in euren Zeitungen geschrieben!«
    »Ich habe es nicht geschrieben!« schrie Bollmeyer. »Ich habe den Krieg nicht gewollt, ebensowenig wie du! Ich bin wie alle nur eingezogen worden … ich habe nur –«
    »Du hast nur Fedjas Kind in mir getötet. Das ist mehr für mich als hundert Kriege … Du hast mich hassen gelehrt … ungeheuer, grausam hassen. Unmenschlich hassen! Nicht wiedererkenne ich mich, wenn ich mich ansehe in einem Spiegel oder auf der Wasserfläche der Sümpfe und mich frage: Natascha – bist du es noch?! Alles in mir ist tot, nur der Haß brennt noch … vor mir selbst habe ich Angst … und das alles hast du getan, du, Bollmeyer …«
    Sie stand auf, schwer fiel es ihr, aber sie zeigte es nicht. Zum erstenmal mußte sie einen Menschen töten … nicht von weitem, auf ihn schießend wie auf gehetzte Hasen, sondern ganz nah, in seine flatternden Augen blickend, mit der Hand an seinem zitternden Körper.
    »Du hast mir alles genommen, Bollmeyer«, sagte Natascha noch einmal. Eine Entschuldigung sollte es sein, aber es war ein Urteil. Bollmeyer verstand es, er sank wieder in die Knie und weinte wie ein Kind.
    Natascha atmete tief auf. Dann drehte sie die Maschinenpistole herum und hieb mit dem eisernen Kolben Bollmeyer über den Schädel. Stumm sank er um und rollte auf die Seite.
    Natascha zog ihn aus. Sie zerrte die Uniform von seinem dicklichen Körper, zerriß, was sich sperrte, und schleifte dann den nackten Körper keuchend über den Boden, bis zu einem länglichen, flachen, aus Blättern, Nadeln, Moos und Erde gebildeten Haufen. Als sie mit dem Lauf der Maschinenpistole in ihn hineinstieß, quollen zu Tausenden dicke, rote Ameisen aus ihm hervor und stürzten sich über den stählernen Lauf.
    Natascha kniete nieder und band die Füße Bollmeyers zusammen. Hände und Füße verknüpfte sie miteinander … wie eine gespannte Bogensehne spannte sich der nackte Körper, unfähig einer Bewegung, einer Abwehr, nichts mehr als ein Bündel Fleisch, das man an einen Haken hängen kann.
    Mit stöhnender Anstrengung wälzte sie Bollmeyer in den Ameisenhaufen, bis sein Körper eingewühlt in dem zerstörten Bau lag. Wie eine Woge brandeten die Tiere über ihn hinweg und bissen sich in sein weißes Fleisch hinein.
    Der Schmerz vertrieb die Ohnmacht. Schreiend erwachte Bollmeyer, und mit jedem Schrei schluckte er Hunderte Ameisen und spie sie hustend wieder aus.
    Noch einmal blickte Natascha auf das brüllende Bündel. Dann preßte sie die Hände an die Ohren und rannte davon. Die Maschinenpistole ließ sie zurück, allen Mut und allen Haß … sie jagte durch die Sumpfwege und das Schilf, und so fest sie die flachen Hände gegen die Ohren preßte, sie hörte die gellenden Schreie, als kämen sie aus ihrem eigenen Blut.
    Luka fing sie auf, als sie taumelnd durch das Schilf brach. Bleich war sein riesiges Gesicht mit dem Urwald des Bartes, der es überwucherte.
    »Täubchen …«, stotterte er. »Was ist denn? Was hast du getan …?«
    Natascha setzte sich. Sie preßte den Kopf zwischen die Knie und krallte die Finger in die Haare. Über den Sumpf flatterte das Schreien Bollmeyers wie eine fettige Wolke, die den Atem hemmte. Selbst Luka nagte an der Lippe, und er war ein harter Bursche, gewiß.
    »Das ist nicht gut, Täubchen«, sagte er leise. Heiser klang es. »Ein Mensch ist er schließlich doch noch, nicht wahr …?«
    Natascha nickte. »Geh hin …«, stammelte sie. »Verrückt war ich … oh …« Sie preßte den Kopf wieder zwischen die Knie und weinte. Luka rannte durch das Schilf, dem Schreien entgegen. Dann gab es nur einen kleinen, schnellen Schuß, und Ruhe war im Sumpf wie am ersten Tag der Erschaffung.
    Als Luka zurückkam, lag Natascha bewußtlos auf der Erde. Die rechte Faust hatte sie in den offenen Mund gesteckt, und ihre Zähne hatten sich tief in das Fleisch gebissen.
    Luka ließ sie liegen. Er berührte sie nicht, zum erstenmal saß er da und beachtete sie nicht. Für das, was sie getan, hätte selbst Fedja sie geschlagen, dachte er. Bestimmt hätte er das. Und mit Recht. Krieg ist, man kann's nicht ändern. Aber man soll die Teufel nicht loslassen, das ist nicht gut. Und ein Teufel war sie, Natascha Astachowa. Zum erstenmal

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