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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Flammenwerfern die Wege versengend und links und rechts das Schilf verbrennend. Wie ein Schwamm war der Sumpf bisher gewesen … Kompanien waren in ihn hineingegangen und nicht wiedergekommen. Das sollte vorbei sein. Bevor ein deutscher Soldat nur einen Schritt weiterging, war das Land vor ihm fünfzig Meter tief verbrannt. Und so wie hier bei Posstoly am Knjasj-See war es am ganzen Pripjetsumpf, Hunderte Kilometer lang.
    »Wir räuchern sie aus!« hatte Major Litzau bei der Lagebesprechung gesagt. »Und wer mir dieses Weibsstück bringt, hat seine Beförderung in der Tasche und drei Wochen Urlaub dazu! Das heißt, wenn es überhaupt dieses Weib gibt und nicht alles eine Latrinenparole ist!«
    »Wir haben Gefangene verhört, Herr Major. Es gibt sie wirklich.« Leutnant Gebhardt sah auf ein paar Notizen, die vor ihm lagen. »Sogar den Namen wissen wir: Natascha Astachowa.«
    »Ekelhaft ist das!« Major Litzau sah über die große Karte, die die Sümpfe darstellte. Mit Rotstift waren einzelne Kreise gezogen … es waren die von den Aufklärungsflugzeugen ausgemachten Inseln, die durch das Artilleriefeuer bereits vernichtet waren. »Ich kämpfe lieber gegen eine Division vor mir, als gegen zwei Mann hinter meinem Rücken! Also, meine Herren« – er legte seine Hände auf die Karte –, »keine Rücksicht, keine Gnade, wenn Sie auf Partisanen stoßen! Sofort exekutieren! Es ist ein Führerbefehl! Auch die Frauen …«
    »Und … und Kinder …?« fragte Leutnant Gebhardt leise.
    »Kinder natürlich nicht. Die liefern Sie ab! Obgleich es einen wahren Spruch gibt: Die Kinder von heute sind die Feinde von morgen! Aber darüber mögen sich andere Dienststellen den Kopf zerbrechen. Wir haben nur die Sümpfe zu säubern. – Der ganze Nachschub bricht ja bald zusammen!«
    Nun marschierten sie ein. Graue Kolonnen, eine Feuersäule vor sich, auf alles schießend, was sich vor ihnen bewegte. Auch Leutnant Klaus Gebhardt tastete sich durch die Schilfwälder. Neben ihm ging Feldwebel Willi Schmolzer, auf dem Rücken den Kanister mit dem Öl, in den Händen den feuerspeienden Schlauch des Flammenwerfers.
    Sie stießen auf keinen Widerstand mehr. Ab und zu trafen sie auf zerfetzte Leichen, die seitlich im Schilf lagen. Vor ihnen dehnte sich der Sumpf weiter aus. Eine unüberblickbare, schwappende Fläche.
    »Hier sind wir am Ende, Herr Leutnant«, sagte Feldwebel Schmolzer und stellte seinen Flammenwerfer ab. »Wenn da drüben ein Mensch lebt, muß er Flügel haben!«
    Leutnant Gebhardt tastete sich weiter vor. Der Weg hörte tatsächlich auf und rutschte in den Morast. Links und rechts von ihnen blieben die anderen Gruppen ebenfalls stehen und starrten hinüber zu dem unerreichbaren Wald.
    Tief im Schilf lag Luka neben Natascha. Sie atmeten kaum. Die graue Wand war stehengeblieben, der breite Sumpfgürtel trennte sie vom Wald, und sie kannten die unter der schwappenden Fläche gebauten Knüppelwege nicht, die hinüberführten zu einer Urwelt.
    Dreißig Männer lagen am Waldrand im Schilf, die Maschinengewehre schußbereit, seitlich der Kolonne Gebhardt krochen zwanzig Männer einzeln durch den Morast und schlossen von hinten den Rückweg ab. Wie Riesenwürmer schoben sich die Leiber vorwärts, lautlos, nur ab und zu an wäßrigen Stellen plätschernd, ein Laut, der unterging im Kampflärm, der von den anderen Seiten herübertönte.
    »Bald sind sie da«, flüsterte Natascha in Lukas Ohr. »Wieviel Flammenwerfer haben sie?«
    »Zwei, Täubchen …«
    »Zuerst die –«
    Im Rücken der Deutschen zischte eine blasse Leuchtkugel hoch. Leutnant Gebhardt sah sie. Sein jungenhaftes Gesicht wurde fahl und spitz.
    »Hinlegen!« brüllte er. »Hinlegen!«
    Es war zu spät. Die erste Feuersalve zerriß sein Kommando. Feldwebel Schmolzer wurde zu Boden gerissen, aus einigen Löchern des Tanks floß Öl über seinen Körper … verzweifelt schob er sich aus den Tragriemen und stieß mit dem Fuß den Flammenwerfer in den Sumpf. Dann kroch er zurück, über die Leichen und schreienden Leiber seiner Kameraden hinweg, ein Bein zog er nach, es war gefühllos geworden und zuckte nur noch von der Hüfte bis zu den Zehen.
    »Mutter …«, dachte er. »Mutter … o Mutter …« Weiter nichts als dieses stammelnde, kindliche Wort Mutter, ein stummes Flehen um Hilfe, wo es keine Hilfe mehr gab, sondern nur eine Hölle aus grünbrauner, schwappender Masse, die lebendig zu werden schien und über ihm zusammenschlug. Er sah sich um und begriff nicht, was er

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