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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Mir hat man Fedja genommen, und Fedjas Kind, und Vater und Mutter … ich habe nichts mehr auf der Welt als mich selbst … ich hasse jeden von euch Deutschen wie das Feuer das Wasser!«
    »Nun bist du die Stärkere, Natascha!«
    »Nicht immer ist's gut, das zu sein. Wie heißt du?«
    »Klaus Gebhardt.«
    »Klaus. Ist das ein schöner Name?«
    »Ich weiß nicht. Aber Natascha ist schön …«
    »Warum hast du bloß blonde Haare und solche blauen Augen.« Sie nahm ihre Maschinenpistole und spannte den Riemen lang. Leutnant Gebhardt schloß die Augen. Jetzt schießt sie doch, dachte er. Der Brei geht mir bis an die Wunde … und Angst habe ich, schreckliche Angst … Daß man nie begreifen will, daß es zu Ende ist …
    Er hörte neben sich ein Aufplatschen.
    »Faß zu!« sagte Natascha laut. Klaus Gebhardt öffnete die Augen. Die Maschinenpistole lag neben ihm … am ausgehakten Riemen hielt sie Natascha fest. Sie stemmte die Beine auf den festen Boden und sah über ihn hinweg in den abendfahlen Himmel.
    »Faß zu, Klaus!« sagte sie noch einmal.
    Da ergriff er die Waffe, umklammerte sie und warf sich nach vorn. Mit den Beinen strampelte er, hieb mit den Ellenbogen auf den schwappenden Boden und ließ sich so langsam, wie er versunken war, wieder hervorziehen aus der saugenden Tiefe.
    Über eine Stunde dauerte es. Sie keuchten und schwitzten, stöhnten und sprachen sich Mut zu. Dann wurde Gebhardt ohnmächtig, sein Kopf sank auf die Maschinenpistole.
    »Du sollst nicht sterben!« schrie Natascha wild. Sie hieb auf Gebhardt ein, sie schüttete schlammiges Wasser über seinen Kopf und dann zog sie weiter, mit weit offenem, röchelndem Mund, bis sie den Körper mit den Schultern und der zerfetzten Brust auf dem festen Boden liegen hatte. Zurückgeworfen ins Schilf, wartete sie, bis er erwachte. Er kroch das letzte Stück allein an Land und sank dann an Nataschas Seite in das Schilf, legte den Kopf auf ihre Brust und weinte.
    »Warum hast du das getan?« stammelte er.
    Sie hob die Schultern und starrte in den Nachthimmel.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie dumpf und streichelte seinen Kopf. »Vielleicht, weil du Fedja so ähnlich bist … vielleicht …«
    Er wurde wieder bewußtlos, und sie kroch herum, suchte sauberes Wasser, wusch die Wunde aus und verband ihn. Dann legte sie seinen Kopf in ihren Schoß, deckte ihn zu mit ihrer Jacke und hörte auf die Stimmen, die durch den Sumpf flatterten. Rufen hörte sie, Lukas dröhnende Stimme: »Natascha! Natascha!« Man suchte sie, aber sie schwieg und lauschte, wie sich die Stimmen entfernten. Schließlich war es nur noch Lukas Stimme, die durch die Nacht flog, ein weher Laut – Natascha –
    Sie rückte den Kopf in ihrem Schoß zurecht, legte sich zurück und schloß die Augen. Durch den Stoff spürte sie den Atem über ihre Schenkel gleiten.
    Todfeinde sind wir, dachte sie, und er kann atmen wie Fedja.
    Da war sie plötzlich glücklich, seit drei Jahren wieder, und schlief ein wie ein beschenktes Kind. Mit einem Lächeln und mit einem Seufzen.

Luka war's, als sei die Welt zusammengefallen, und der einzige Überlebende sei nur er. Heulend wie ein verwundeter Wolf lief er durch die Sümpfe und suchte Natascha Astachowa. So unsinnig in seiner Verzweiflung war er, daß sich das Grauenhafte immer wiederholte: Wenn er auf einen verwundeten deutschen Soldaten traf, der sich im Schilf verkrochen hatte, fragte er ihn: »Hast du Natascha gesehen? Ein Mädchen?« Und wenn die Deutschen den Kopf schüttelten, stöhnte Luka auf und zertrümmerte ihnen den Kopf mit seiner eisenharten Faust.
    Bis zum Morgen lief Luka durch die Pripjetsümpfe, dann kam er halb wahnsinnig ins Lager zurück und warf sich auf den Rücken. Still war es um ihn herum. Niemand wagte es, etwas zu sagen oder zu fragen. Man wußte, Luka würde sie alle erschlagen. Zur Ruhe mußte er erst kommen, ganz allein … solange ging man ihm aus dem Weg.
    Beim ersten Morgengrauen kroch Luka wieder aus der Erdhöhle und durchstreifte die Sümpfe. Er wagte sich aus dem sicheren Morast heraus und tappte auf die Hütten zu, in denen die Deutschen ihre Wachen hatten, ihre Werkstätten und Nachschublager. Auf einige russische Bauern traf er, die als Hiwis den Deutschen Dienste leisteten und als Spione alles, was sie sahen, weitergaben an die Partisanengruppen in den Sümpfen. Auch sie hatten Natascha nicht gesehen.
    Gegen Mittag tappte Luka zurück zum Lager. Die Leichen der Deutschen, die am Wege lagen, rollte er hinein in den

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