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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Herz um. Er stöhnte und raufte sich wieder die Haare. »Ich werde nicht mehr schlafen können –«
    »Tu, was ich dir sage, Luka.«
    »Nataschka …«, bettelte Luka wie ein Kind. »Laß mich ihn erschlagen … ganz schnell wird's gehen, nichts wird er merken … und dann komm zurück zu uns …«
    »Geh!«
    Und Luka kroch durch das Dickicht davon, patschte durch den Sumpf und schlich wie ein geprügelter Hund gegen Abend ins Lager.
    Kapitän Kotelnikow und Leutnant Krepychew waren gekommen. Ihre Gruppen waren fast vernichtet; sie hatten fliehen können, verwundet und mit dem Schrecken im Nacken, daß die Deutschen mehr als das halbe Bataillon vernichtet hatten. Sie saßen in den Erdbunkern beim flackernden Kerzenschein, tranken kalten Tee und rauchten in Zeitungsfetzen gedrehten Machorka.
    »Nichts, Genossen!« sagte Luka langsam und verkroch sich in die dunkelste Ecke wie ein sterbender Hund. »Nicht ein Knöpfchen von ihr! Wir werden sie nicht wiedersehen … O Genossen, zum Kotzen ist's …«
    Er legte sich hin, drehte das Gesicht zur Erdwand und glotzte in die Dunkelheit.
    Mit einem deutschen Offizier schläft sie im Sumpf, dachte er. Man kann es nicht verstehen. Und Fedja Iwanowitsch hat sie verraten … einfach verraten hat sie ihn …
    Er stöhnte laut und nagte an den Barthaaren. Und gleichzeitig hatte er Angst, daß Kotelnikow die beiden einmal entdecken konnte.
    Nicht auszudenken war's.
    »Ich liebe dich«, sagte Natascha Astachowa leise.
    Neben ihm lag sie, den Kopf an seiner Schulter, die Arme sanft über seine verbundene Brust gelegt. Ganz eng drückte sie sich an ihn, und der Geruch von geronnenem Blut und scharfem Fieberschweiß war ihr wie der Duft der Mimosen in den Gärten Astrachans.
    »Warum?« fragte Gebhardt mühsam. Seine Lippen waren heiß, aufgesprungen und brannten. Er hatte Durst, und doch fror es ihn. Mit unnatürlich glänzenden Augen starrte er in den Nachthimmel. Als er den Arm hob, jagte der Schmerz wieder durch den ganzen Körper und kroch in sein Gehirn, um es auseinanderzusprengen. Er biß sich auf die rissigen Lippen und legte den Arm um Nataschas Schultern. Seine Finger krallten sich in ihren Haaren fest, als seien sie ein Seil, das ihn weghielt vom Absturz in den Abgrund.
    »Warum liebst du mich?« wiederholte er. Jedes Wort war ein Seufzen, war ein Pulsschlag voll Schmerz.
    »Ich weiß es nicht, Ilja …«
    »Ich heiße Klaus.«
    »Du bist Ilja für mich. Klaus … ich kann's nicht sagen. Zu deutsch ist es. Aber Ilja ist schön.«
    Sie kroch noch näher an ihn heran, küßte ihn über das stoppelige Gesicht, träufelte Speichel auf seine gerissenen Lippen und fuhr mit ihrer Zunge über seine fieberglänzenden Augen.
    »Undenkbar, daß du Hunderte von Männern getötet hast«, seufzte er.
    »Vielleicht waren es Tausende, Ilja. Ich weiß es nicht.«
    »Und mich läßt du leben …«
    »Ein Rätsel ist's! Aber wollen wir es lösen?« Sie hob den Kopf, stützte sich auf die Erde und sah ihm in die Augen. »Vielleicht töte ich dich auch einmal. Wer weiß es? Jetzt liebe ich dich …«
    »Und morgen tötest du wieder andere –«
    »Ja –«
    »Warum, Natascha?«
    »Es ist Krieg!«
    »Aber du bist eine Frau –«
    »Sollen wir Frauen uns nur unsere Väter, Männer oder Brüder töten lassen?! Sind wir nur zum Weinen geboren? Ihr seid nach Rußland gekommen wie ein Eissturm in der Nacht – als wir aufwachten, war die Sonne blutig, und auf den Feldern lagen die Toten! Warum, Ilja –?«
    »Ich weiß es nicht. Man hat es uns befohlen.«
    »Es muß kein Mensch sein, der den tausendfachen Mord befiehlt –«
    »Nur Menschen sind dazu fähig. Nur sie!« Gebhardt atmete tief. Die Wirkung der Tabletten ließ nach. Sein Körper brannte. Gleich werde ich schreien, dachte er zitternd. Ich kann nicht anders … es ist zu viel … zu viel … zu viel … »Meine Brust …«, stammelte er. »Natascha … Nata…« Er biß sich in die Faust, um den ersten Schrei zu ersticken.
    Natascha löste drei weitere Tabletten in Wasser auf und träufelte sie Gebhardt zwischen die Lippen. Seine Zunge war dick geschwollen und braunrot. Er schluckte den bitteren Trank, aber er wußte, daß er nicht helfen würde … nicht sofort … vielleicht in einer halben Stunde, vielleicht überhaupt nicht …
    »Oh!« röchelte er. »Oh!« Er biß sich wieder in die Faust, sein Körper bäumte sich unter den zurückgepreßten Schreien. Natascha kniete neben ihm, umklammerte seinen Kopf und küßte ihn auf die

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