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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Augen, während er gegen den Schmerz rang.
    »Mußt du schreien, Ilja?« fragte sie.
    Gebhardt nickte. Seine Augen flehten sie an.
    »Du darfst nicht schreien, Ilja«, sagte Natascha leise. »Sie würden es hören, die anderen. Nicht böse darfst du mir sein … hörst du … Ich liebe dich –«
    Sie nahm den Knauf von Lukas Pistole und schlug ihm damit gegen die Schläfe. Gebhardt streckte sich, seine Faust fiel aus seinem Mund.
    »Moj ljubimez …« (Mein Liebling), sagte Natascha zärtlich. »Pokojnoj notschi …« (Gute Nacht.)
    Sie deckte ihn mit dichtbeblätterten Zweigen zu, rückte seinen Kopf auf der zusammengerollten Uniformjacke zurecht, küßte ihn noch einmal und kroch dann durch das Dickicht hinaus in den Sumpf.
    Luka schreckte in seiner Ecke hoch, als es draußen vor dem Erdbunker lebendig wurde und laute Rufe durch die Nacht tönten. Krepychew, der die Wache kommandierte, stolperte in den Bunker und rollte die Treppenstufen hinunter. Noch im Fallen schrie er:
    »Natascha ist da! Brüder, Brüder … sie ist da!« Dann blieb er liegen, trommelte mit den Fäusten vor Freude auf die Erde und lachte wie ein Irrer. Luka rannte über seinen Körper hinweg zur Treppe, trat Krepychew dabei auf die Hand, und aus dem Lachen wurde ein Brüllen.
    »Meine Finger!« schrie Krepychew. »Zerquetscht hat er sie mir! Der Teufel hole ihn! Der siebenschwänzige Teufel!«
    Dann rappelte er sich hoch und stürzte hinaus ins Freie, um Natascha wie die anderen zu umarmen, an sich zu drücken und brüderlich zu küssen.
    Abseits von allen stand Luka und schüttelte den Kopf.
    Gekommen ist sie, dachte er. Allein! Wo ist der deutsche Offizier? Ist er tot? Hat sie ihn umgebracht? Er sah hinüber zu Natascha. Wie immer war sie, ein Weibsstück, dem selbst Stalin einen Brief geschrieben hatte. Eine Heldin der Nation.
    »Ein Idiot bin ich, wirklich!« sagte Luka laut. »Wie konnte ich vergessen, daß sie zu uns gehört …«
    Es war alles so wie früher, und doch hatte sich einiges geändert. Kapitän Kotelnikow hatte wieder das Kommando übernommen. Er sammelte die Reste der Partisanen, zog die in den Sümpfen versprengten Gruppen zusammen und bildete neue Kompanien. Krepychew übernahm die Erkundungstrupps, die wie in den vergangenen Jahren aus der Dunkelheit hervorbrachen und Züge überfielen, Autokolonnen in die Luft sprengten oder deutsche Kommandos in Fallen lockten und gnadenlos verschwinden ließen. Selbst vor den Wagen mit dem Roten Kreuz machten sie nicht Halt. »Das ist nur Farbe!« sagte Kotelnikow wild. »Morgen kommen die, die darin liegen, wieder und töten unsere Brüder! In die Luft damit, Genossen!«
    Es war kein Krieg mehr, kein ehrliches Kämpfen, sondern ein Abschlachten von Mensch zu Mensch, ein tötender Haß, ein blindwütiger Mord.
    Natascha und Luka standen außerhalb dieser Aktionen. Kotelnikow hatte es seit zwei Jahren aufgegeben, Natascha Befehle zu erteilen. Sie kam und ging, wie sie wollte. Und Luka folgte ihr wie ihr riesiger Schatten. Einmal hielt Krepychew ihn an, als er Luka mit Spaten, Zeltplanen und einigen Decken aus dem Hauptlager tappen sah.
    »Mich geht's nichts an, Brüderchen«, sagte Krepychew vorsichtig und schielte auf die Ausrüstung Lukas. »Aber wohin schleppst du all diese Sachen?«
    »Zu Piotr Koroljow«, sagte Luka gemütlich.
    »Wer ist Piotr Koroljow?« fragte Krepychew verblüfft.
    »Du kennst ihn nicht?! Aber Genosse Oberleutnant! Wer kennt Piotr Koroljow nicht?! Der Trödler von Tatarssk ist's. Er gibt mir Wodka dafür und eine harte Dauerwurst. Eine feine Wurst, ohne ein Schnippelchen Pferdefleisch darin. Wenn ich sie habe, darfst du mal dran schnuppern, Krepychew …«
    Das letztere sagte er lauter, als die anderen Sätze zuvor. Washa Krepychew verzichtete darauf, weitere Erklärungen zu hören. Er ließ Luka in den Sumpf trotten und sah ihm nachdenklich nach.
    »Wenn er nur zwanzig Zentimeter kleiner und halb so stark wäre …«, sagte er zu sich bedauernd. »Man kommt sich vor wie ein weggeworfenes faules Ei –«
    In diesen Tagen bauten Natascha und Luka in dem kleinen, verfilzten Waldstück einen Erdbunker für den deutschen Leutnant Klaus Gebhardt. Während Luka den Boden aufwühlte und die herausgeworfene Erde in den Sumpf warf, pflegte Natascha den Verwundeten, flößte ihm Essen ein, kochte ihm zwischen Steinen auf einem kleinen, nicht sichtbaren Feuer in einem alten verbeulten Kessel kräftige Fleischsuppen und achtete darauf, daß Luka den Suppenkessel nicht

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