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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit dem Teebehälter verwechselte und schnell die Fleischsuppe austrank. Zweimal hatte er es getan und sich damit entschuldigt:
    »Was willst du, Täubchen! Ein Idiot bin ich eben. Suppe und Tee … dieselbe Farbe haben sie. Nur schmecken kann man's, und dann ist's zu spät!«
    Vierzehn Tage dauerte es, dann war der Bunker fertig. Groß genug für drei Personen, mit einem kleinen Nebenraum, in dem Luka die Verpflegung zu stapeln begann, die er vom Hauptlager jeden Tag an seinem Leib festschnallte und so ungehindert hinausbrachte. Mitten im Wald lag der Bunker, und um ihn herum war schwappende Unergründlichkeit, kein Weg, nicht einmal ein handbreiter Steg. Nur Natascha kannte einen Pfad, wie eine Brücke aus Lianen über einen Fluß schwankte er unter ihren Füßen, knietief unter der braunen Wasseroberfläche.
    »Hier wird uns niemand finden«, sagte sie zufrieden, als sie Klaus Gebhardt in den Erdbunker getragen hatten. Seine Brustwunde hatte sich geschlossen, das Fieber war zurückgegangen, aber eine unendliche Schwäche lag in seinem Körper. Nicht einmal aufrichten konnte er sich … er lag auf dem Rücken und sah zu, wie Luka schwitzend und fürchterlich bei der Arbeit fluchend den Bunker baute.
    Wenn der Abend kam, ging Luka zum Lager zurück. Natascha blieb jetzt meist draußen im Sumpf und schlief in den Armen ihres Ilja. Kotelnikow, der einmal fragte, wo sie sei, erhielt von Luka die Antwort:
    »Sie zieht ein Biberjunges groß! Laßt ihr die Freude.«
    Eine unsinnige Antwort war's, aber Kotelnikow fragte nicht mehr. Er hatte Sorgen. Die deutschen Fronten gingen zurück, im Winter, wenn die Sümpfe geräumt werden mußten, weil die zugefrorenen Flächen keinen Schutz mehr boten, mußte das Partisanenbataillon neue Quartiere beziehen und durch die deutschen Riegel sickern. Schwer wurde das, wenn die Front so nahe herankam und viele deutsche Regimenter sich an den Sümpfen eingruben. Kein Loch blieb dann mehr … es war schon eine Sorge, die Kotelnikow mit sich herumtrug.
    Und plötzlich schneite es. Ganz unvermutet kam der Winter. Am Abend hatte noch der Mond geschienen, aber gegen Morgen zog die graue Wand über die Sterne, und als die Sonne durchbrechen sollte, weigerte sich der Himmel und warf den ersten Schnee auf die erstaunten Menschen.
    Krepychew fluchte mörderisch. Dann sammelten sich die Partisanentrupps an den befohlenen Plätzen und begannen, die Winterunterschlüpfe in den weitverstreuten Dörfern zu erreichen. Als Bauern tauchten sie mitten in den deutschen Linien auf, als versprengte Hiwis und überrollte ehemalige Verwundete. Sie bastelten Schlitten für die deutschen Truppen und sprengten sie in der Nacht wieder in die Luft … sie bauten Hütten und Unterstände, die plötzlich in Flammen aufgingen, und sie begleiteten Transporte, die nie an ihr Ziel gelangten. Es war eine harte Zeit.
    Die letzten, die die Pripjetsümpfe verließen, waren Kotelnikow und Krepychew. Sie standen vor einem Rätsel, das sie wie mit Leim im Hauptlager festhielt.
    Natascha Astachowa und Luka waren verschwunden. Als die Räumung begann, hatten sie ihre Sachen wie alle anderen gepackt, sie auf flache, lange Knüppelschlitten verladen und waren weggezogen. Aber in Kapzewitschi, wohin auch die Funkstation der Partisanen gezogen war, trafen sie nie ein. Nach vier Tagen funkten es die erstaunten Genossen zu Kotelnikow. Nicht eine Spur von Luka und Natascha!
    »Wie soll man das verstehen?« schimpfte Kotelnikow. »Wo sind sie?! Gefangen hat man sie nicht. Man hätte das sofort erfahren! Überall sind unsere Brüder. Irgendwo müssen sie doch sein …«
    Washa Krepychew schwieg. Er trank ein paar Züge aus der Flasche und putzte sich dann den bärtigen Mund.
    »Wird ihr eigenes Nest haben, das Weibsbild«, sagte er dann. »Auf einmal ist sie wieder da … oder auch nicht. Was kümmert's uns? Nie hat sie uns gefragt … fragen wir jetzt auch nicht sie …«
    Die Sümpfe waren nun leer. Eine deutsche Streife, die sich vortastete, fand verlassene Bunker und leere Konservendosen. Sie kämmten die Sümpfe durch und stießen in eine weiße, eisklirrende Leere.
    Östlich Orscha begann die große Winteroffensive der Roten Armee. Die deutschen Armeen im Mittelabschnitt wichen zurück. Die Front näherte sich den Sümpfen.
    In ihrem Erdbunker hockten Natascha und Luka und lauschten nach draußen. Klaus Gebhardt lehnte an der Wand und rauchte.
    »Es gibt kein Paradies mehr«, sagte er. »Auch nicht unter der Erde, Natascha! Der Krieg

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