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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schreiberei gab's dann mit Moskau, viel Ärger um ein Weibsbild, und vielleicht sogar eine Strafversetzung. Und nun war Luka weg, und damit ein Zeuge gegen ihn. Das war gut. Nicht gut war, daß mit Luka folgende Dinge fehlten: eine Maschinenpistole mit zehn vollen Magazinen, zwanzig Büchsen eingekochtes Rindfleisch, zwei Brote, zwei Dosen mit Schmalz, eine Dose mit Sonnenblumenöl, drei Tiegel gepreßten Tee, zehn Säckchen mit Tabak und zu allem noch zwei Pistolen, zwei große Küchenmesser und die Uniform des Feldwebels Waleri Subobkin, der nur ein wenig kleiner war als Luka, aber fast genauso breit.
    »Schweinerei!« schrie Malachow, aber er blieb liegen und sah den Leutnant, der die Meldung brachte, wütend an. »Man soll's nicht für möglich halten! Prügeln sollte man euch Unfähige! Prügeln! Wann habt ihr es entdeckt?«
    »Eben, Genosse Major.«
    »Und Luka ist längst weg …«
    »Es scheint so.«
    »Sucht ihn. Im Schnee sind doch Spuren …«
    »Nicht mehr, Genosse Major.« Der Leutnant war sehr traurig. »Es schneit seit zwei Stunden … nicht ein Dellchen ist im Schnee, nicht ein Kratzerchen …«
    Seufzend drehte sich Major Malachow auf die Seite. »Dann haltet eure Schnauze!« sagte er unhöflich. »Und vergeßt diesen Luka –«
    »Aber der Feldwebel Subobkin hat keine Uniform mehr …«, stotterte der Leutnant.
    »Dann soll er nackt siegen!« schrie Malachow. »Auch ein nackter Russe bleibt ein Bolschewist!«
    Die ganze Nacht trottete Luka durch den Schnee und den Wald. Gut war's, daß es schneite. So wurden die Spuren mit frischem Schnee gefüllt, der Wind hatte nachgelassen. Lautlos rieselte es vom schwarzgrauen Himmel. So schwer wurden die Zweige der Bäume, daß sie von den Stämmen brachen und krachend auf die Erde fielen.
    Noch einmal ging Luka über das Land, wo er Natascha verloren hatte. Er ließ sich Zeit. Die Maschinenpistole hing schußbereit vor seiner mächtigen Brust. Er würde schießen, wenn ihn jemand aufhalten wollte, das wußte er ganz sicher. Was kümmerte ihn noch der Krieg, was Befehle aus Moskau oder aus dem schiefen Maul des Majors Malachow?! Nichts, nicht einen Hasendreck mehr! Er hatte Natascha verloren, und Rußland war ein ödes Land ohne Natascha, so kam es Luka plötzlich vor.
    Nachdem er das Kampffeld abgesucht hatte, hob er witternd den Kopf und ging dann in den Wald. Da war's ihm, als hörte er Stimmen. Oder war's nur ein Summen der fernen Motoren, das durch die Nacht flog? Er stellte seinen Verpflegungssack an einen Baumstamm und streifte den Riemen der Maschinenpistole über seinen Kopf.
    Die Stimmen verwehten. Luka kratzte sich den Kopf und tappte weiter. Wie ein Bär, der einen Honigstock wittert, stampfte er durch das Gewirr von Büschen und gestürzten Bäumen, blieb stehen, lauschte, räusperte sich und ging dann weiter. Plötzlich war die Stimme wieder da … links neben ihm … eine gleichförmige Stimme, leiernd, wie eine Litanei klang's aus den Büschen. Luka schob die Maschinenpistole in seine breiten Hände.
    Da betet einer, dachte er verblüfft. Hol's der Teufel … und das im bolschewistischen Rußland! Nicht wundern sollte mich's, wenn ich einen Greis finde, der verrückt im Walde lebt und betet, daß der Krieg ihn überleben läßt. So etwas gibt's, bei meiner Seele! Auch in Rußland!
    Luka brach durch das Gebüsch wie ein wütender Höhlenbär. Er schob die Maschinenpistole vor sich her, den Finger am Abzug. Jetzt war die Stimme klarer, heller. Durch Luka fuhr es wie mit einem glühenden Messer. Eine Mädchenstimme, ohne Zweifel. Eine Stimme, die –
    »Natascha!« brüllte Luka. Er warf die Waffe auf den Rücken und sprang der Stimme entgegen. Mit seinem riesigen Leib fiel er durch das Dickicht wie eine krachende Granate. Dann stand er vor dem Baum, und er sah den nackten, zugeschneiten Körper Nataschas auf dem toten deutschen Offizier liegen, sah ihr schmales, blaurotes Gesicht und die Lippen, die sinnlose Worte formten und ausstießen wie gleichförmige Schreie.
    Sie erkannte ihn nicht mehr … sie starrte ihn an, und die Leblosigkeit ihrer Augen entsetzte ihn so, daß er erneut aufschrie und in die Knie fiel.
    »Natascha!« schrie er. »Luka ist's! Ich bin's! Erkennst du mich denn nicht, mein Täubchen …?«
    Er kroch zu dem Wurzelwerk, riß Natascha von dem toten Körper, zerrte sie hervor zu sich und legte sie in den Schnee. Dann riß er den Wattemantel unter Gebhardt heraus, rollte Natascha auf die warme Unterlage und tat dann das, was

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