Natascha
Natascha voll Verzweiflung getan hatte. Er knöpfte seine Uniform auf, preßte Nataschas Körper gegen seinen blutheißen, mächtigen Körper, rieb ihren Rücken mit Schnee ab und wälzte sie dann auf dem Wattemantel, schlug sie und massierte ihren nackten Körper, wärmte ihn dann wieder mit seiner Körperwärme und drückte mit seinen dicken Fingern ihre Zähne auseinander, den Mund auf und hauchte ihr seinen heißen Atem in den Gaumen.
Wie ein wildes Schütteln war's, als Natascha zu sich kam. Sie starrte Luka an, dann hob sie die Arme, legte sie um seinen dicken Hals, ihr Kopf sank nach hinten, sie seufzte tief und fiel in eine neue Ohnmacht.
Eingewickelt in ihren Steppmantel trug Luka sie wie ein leichtes Bündel Stroh durch den Schnee zurück zu der Stelle, wo er seinen Verpflegungssack abgestellt hatte. Er warf ihn über den Rücken, drückte Natascha an sich und ging mit ihr auf den Armen tiefer in die Wildnis hinein. Er ging dem aufdämmernden Tag entgegen, nach Osten, wo der Himmel streifig wurde.
Glücklich war er. Unendlich glücklich. Er hätte singen können. Ja, so fröhlich war Luka. Er trug Natascha den ganzen Tag durch – erst als sie aufwachte, setzte er sich und legte sie über seine Knie wie ein zerbrechliches Stück Holz. Er lachte sie mit breitem Grinsen an, als sie sich umsah, sich an seine Jacke klammerte und sich mühsam aufrichtete.
»Luka –«, sagte sie schwach. »Du lebst –?«
»Ich lebe, solange du mich brauchst, Täubchen …« Er lachte dabei, aber in seine Augen traten Tränen, die er verfluchte.
»Und ich lebe, Luka …«
»Was soll's, mein Herzchen? Auf Luka ist Verlaß. Husch, habe ich gesagt. Was willst du, Tod?! Willst du wohl mein Täubchen aus den Händen lassen?! Dein Gerippchen zerbrech ich dir, wenn du nicht weggehst. Da hat er dumm geglotzt und ist weggegangen. So macht man's, Täubchen, wenn's noch nicht an der Zeit ist –«
»Guter, alter, dummer Luka.« Natascha legte den Kopf an seine breite Brust und schloß die Augen. »Wir leben noch … was soll nun werden?«
»Wir werden uns ein Hüttchen suchen und warten …«
»Und dann?!«
»Es wird sich alles finden, Herzchen. Rußland ist groß, und wir haben Zeit. Viel Zeit –«
Natascha seufzte. Den Kopf wühlte sie unter Lukas Mantel und verkroch sich wie ein ängstliches Kind.
»Ilja ist tot«, sprach sie gegen den rauhen Stoff. Über sich fühlte und hörte sie Luka nicken.
»Ilja ist nicht Rußland. Und Rußland ist nicht die Welt. Viele Iljas gibt's … aber nur ein Leben, Täubchen –«
»Wie klug du bist, du Idiot!« sagte Natascha.
Luka nickte wieder. Er schlang die Arme um ihren schmächtigen Körper, wie eine Bärenmutter, die ihr Junges an sich drückt.
Kurz darauf merkte er, daß Natascha schlief. Mit tiefen, gleichmäßigen, gesunden Atemzügen.
Da blieb er sitzen, sie an sich pressend und wärmend, die ganze Nacht, bis zum Morgen, der mit strahlender Sonne den Schnee leuchten ließ. Und er rührte sich nicht und blickte über das flimmernde Land, und er hätte weinen können vor Glück …
Sie zogen acht Tage wie einsame Füchse durch das Land. Erst nach Osten, dann nach Norden. Sie umgingen die Reservestellungen der Roten Armee, die Städte und großen Dörfer, schliefen in halbverbrannten, abseits liegenden Bauernkaten, aneinandergeschmiegt und zusammengerollt wie sich wärmende Hunde, und Luka witterte wie ein Bär die Nähe von Menschen und führte Natascha durch die Wälder, als habe er immer hier gelebt und kenne jeden Baum.
Am vierten Tag streifte Luka herum und ließ Natascha in einem zerstörten Haus allein. Gegen Abend kam er wieder. Mit einem Pferdchen, struppig, klein, mager, aber mit starken Beinchen. Einen Karren zog es hinter sich, und auf dem Karren lagen einige Säcke mit Heu und ein zerbeulter Blecheimer.
Natascha schüttelte den Kopf. Sie begriff es einfach nicht. »Woher?« fragte sie.
Luka kratzte sich den dicken Schädel und streichelte dann dem Pferdchen zärtlich über die eisverkrusteten Nüstern.
»Herum lief's«, sagte er leichthin. »Man brauchte es nur zu packen.«
»Und Heu und Eimer ebenfalls, was? Vielleicht war es das letzte Eigentum eines Bauern. Schäm dich, Luka!«
»Aus einem Lager hab' ich's«, sagte er brummend. »Drei Kompanien liegen hier. Reparaturkompanien. Hab' sie immer gern, die Freundchen. Liegen herum, saufen und huren, und wir mußten kämpfen. Was brauchen sie ein Pferdchen? Gestohlen haben sie's ja auch nur –«
»Man wird
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