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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ilja.« Sie flüsterte, dicht mit den Lippen über seinen Augen. »Ich sehe dich … und solange du lebst, gehörst du mir …«
    Seinen abgestorbenen Leib umklammerte sie. Ihre Beine preßte sie um seine Hüften, schmiegte sich an ihn, drückte ihren Wattemantel um ihn und rieb mit beiden Händen seine Schulter und sein Gesicht. Wie eine Katze krallte sie sich an ihn. Wärme … Wärme …
    »Ich muß es tun … verzeih mir, Ilja …«, sagte sie.
    Dann schlug sie ihn … immer und immer wieder mit beiden Händen ins Gesicht, auf die Brust, die Schultern, den Leib. Sie trommelte mit den Fäusten, als befehle sie damit das Leben zurück.
    Gebhardt lächelte schwach. Wie auf einer Wolke schwebend kam er sich vor.
    »Es ist umsonst, Nataschka … Mein Herz erfriert …«
    Wild schüttelte sie den Kopf. »Ich lasse es nicht zu!« schrie sie. »Nicht zulassen werde ich's! Ich werde es zwingen! Ich schlage es! Es muß! Muß! Muß!« Sie hieb auf seinen eisigen Körper, drückte die Brust und massierte die Herzgegend. Dann riß sie die Uniformjacke Gebhardts auf und klopfte mit beiden Fäusten auf die eingesunkene Brust. Wieder massierte sie die Herzgegend, legte das Ohr auf das Herz, lauschte mit angehaltenem Atem auf die matten Schläge. Langsam … schneller … langsam … stockend … aussetzend … flatternd wie ein erfrorener Vogel, der noch einmal mit gelähmten Flügeln um sich schlägt, ehe er zur Erde fällt.
    »Es schlägt!« sagte Natascha leise und küßte die Herzgegend. »Es muß schlagen. Ich will's! Aufwärmen werde ich es, Ilja. Zwingen werde ich's, zu schlagen. Leben sollst du … und die Erde wird uns gehören, Ilja.« Sie hieb mit den Fäusten wieder auf die Brust Gebhardts. Ihr Gesicht war wild und verzweifelt zugleich. »Schlage, Herz!« schrie sie. »Schlage doch … Ich bitte dich, Herzchen, ich flehe dich an … schlage … schlage … schlage …«
    Ein wilder Kampf war's, ein furchtbares Ringen mit dem Tod. Klaus Gebhardt hatte den auf ihm liegenden Körper umarmt. Die letzte Kraft bot er auf, Natascha zu umarmen. Das große Glück war in ihm.
    »Es ist ein herrliches Sterben, Natascha …«, flüsterte er.
    »Du sollst nicht sterben!« schrie Natascha. Ihre Wildheit, ihr Auflehnen gegen das göttliche Gesetz zerbrach ihre letzte Vernunft. »Ich will es nicht!« schrie sie. »Ich will es nicht! Schlage, Herz. Schlage doch!« Wieder trommelte sie mit beiden Fäusten auf seine Brust, bis Schweiß von ihrer Stirn auf seine Rippen tropfte.
    Da sah sie ihn starr an, und es war, als käme das ganz große Erkennen über sie, und die Welt stürzte ein und ließ nur sie und Ilja übrig, die einzigen Menschen auf einer toten Erde.
    Mit einem spitzen Schrei riß sie die Wattejacke auf, den Pullover, die Bluse … sie preßte ihre nackte Brust auf die eisige Haut Gebhardts, Haut mit Haut aufzuwärmen, Fleisch mit Fleisch zu beleben. Die Kälte des unter ihr liegenden Körpers durchschüttelte sie … sie biß die Lippen aufeinander und ertrug es, preßte sich zitternd an ihn und rieb mit den Händen die abgestorbenen Hüften des Mannes.
    »Iljascha –«, stammelte sie. »Fühlst du, wie du warm wirst –«
    »Ein Zauber ist's, Nataschka –«
    »Weiterleben wirst du, Ilja. Fühlst du's?!«
    »Nur dich fühle ich –«
    »Ich bin das Leben, Iljascha. Dein Leben –«
    »Mein Leben. Ja –« Er nickte mühsam und streichelte ihr schweißnasses, bleiches Gesicht. Dann plötzlich schlang er seine Arme mit letzter Kraft um ihren zitternden Körper, drückte sein Gesicht zwischen ihre warmen, vollen Brüste und weinte wie ein Kind.
    So starb er auch, zwei Stunden später. Das Gesicht zwischen ihren Brüsten, mit dem letzten Atemzug den Geruch ihres Körpers in sich aufnehmend. Natascha merkte es gar nicht … er hörte plötzlich auf zu atmen, die Arme wurden weich und fielen auf die vereiste Erde zurück.
    Als sie es merkte, erhob sie sich nicht, sondern blieb auf ihm liegen. Brust an Brust, Haut an Haut starrte sie in sein steinernes, ernstes, spitz gewordenes Gesicht mit den vereisten blonden Haaren darüber. Haare wie Fedja Iwanowitsch, den der Krieg ihr auch genommen, gleich in der ersten Schlacht.
    Sie weinte nicht, sie schrie nicht … jetzt war es eine Tatsache, unabänderlich geschehen. Nur der große, unheimliche Fatalismus kam über sie, jene asiatische Ruhe und Bereitschaft, ertragen und dabei glücklich sein zu können.
    »Pokojnoi notschi, Iljaschka …«, (Gute Nacht) flüsterte sie an seinem

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