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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Spuren folgen und uns entdecken, du Idiot.«
    »Es wird schneien.« Luka sah in den Himmel. Auch Natascha sah empor. Die Sonne schien während des Untergehens wegzuschwimmen, eine graue Nacht kam heran.
    Und eine Stunde später schneite es. Keine Spur gab's mehr. Luka saß am Feuer und wärmte sich die riesigen Hände. Hinter ihm schlürfte das Pferdchen einen Eimer voll Schneewasser und kaute knirschend ein Bündel Heu.
    Am Morgen zogen sie weiter. Nun ging es schneller mit dem Pferd, es war wie ein Fliegen nach dem mühsamen Stapfen durch den Schnee und die Wälder. Bei Popowka kamen sie an den Dnjepr, und da standen sie nun. Keine Brücke gab's, und die Fähre wurde kontrolliert von Soldaten. Luka spionierte aus, daß man eine Art Paß haben mußte, einen Schein, daß man Bauer sei und da oder dort wohne und den Fluß überqueren dürfe.
    »Das ist schlimm«, sagte Luka und setzte sich auf die Deichsel des kleinen Wagens. »Solch ein Zettelchen bekommt man nicht freiwillig. Man muß etwas tun, mein Täubchen. Entweder erschlage ich einen Bauern, oder ich bringe die Soldaten um. Anders geht's nicht. Ist eine schlimme Zeit, wirklich.«
    Einen ganzen Tag sannen sie darüber nach. Dann legte sich Luka zusammengerollt in den kleinen Wagen und Natascha lud einige dicke Holzkloben über ihn. Irgend jemand hatte sie gefällt. Schön gestapelt lagen sie am Waldrand, nur wegnehmen brauchte man sie. Am hellen Tag, gegen Mittag, setzte sich Natascha dann auf das Holz, und Luka stöhnte leise unter den Kloben, denn auch ein Bär wie er hat eine Grenze der Gefühllosigkeit.
    »Ruhe!« sagte Natascha laut. »Oder soll ich dich vor den Kopf schlagen?«
    »Ganz still bin ich!« sagte Luka. Er umarmte die Maschinenpistole, schloß die Augen und ertrug die Last über sich.
    So fuhren sie zur Fähre und mitten hinein in die Soldaten. Ein Unterleutnant stand an dem breiten, flachen floßähnlichen Boot und kontrollierte die Erlaubnisscheine. Er sah fordernd zu Natascha hinauf, die auf dem Kutschbock saß und ihren Mantel geöffnet hatte, als schwitze sie. Unter dem Mantel sah man in der Wollbluse ihre kleinen, festen Brüste, und der Unterleutnant betrachtete sie mit Wohlwollen und einem leichten Zittern der Oberlippe.
    »Der Schein –?« fragte er etwas freundlicher, als er sonst die Bauern behandelte.
    »Ein Zettelchen?« fragte Natascha und lächelte. Dabei dehnte sie sich etwas und die Wollbluse spannte sich. Unter den Holzkloben biß sich Luka auf die Lippen, nagte an der Haut und wartete. »Aber warum fragst du zweimal danach, Genosse? Am Morgen bin ich über den Fluß, um Holz zu holen. Sieh in den Wagen, da liegt's. Oder willst du, daß ich friere, Genosse?«
    Sie nickte ihm zu und schabte mit den Beinen gegen das Fußbrett des Sitzes. Trotz der Stiefel sah der Unterleutnant, daß sie schlanke Beine hatte. Wie ein Rehchen, dachte er. Das machte ihn milde gestimmt, zumal seine Oberlippe stärker zitterte, als er die Wollbluse musterte.
    »Wo wohnst du?« fragte er dienstlich streng. Natascha neigte den Kopf zur Seite.
    »Vier Werst von hier. Ein Hof ist's, weißt du, Genosse. Vierte Stelle der Kolchose ›Lenin‹. Jeder kennt's.«
    »Ich werde nachsehen, ob es stimmt, Genossin! Noch an diesem Abend –«
    Natascha nickte und schnalzte mit der Zunge. Das Pferdchen zog an und trollte auf die Fähre zu.
    »Wie ein feuriger Kosak seid Ihr, Genosse!« lachte sie zurück und wandte den Kopf um. Ihre schwarzen Haare wehten im Wind, der über den Fluß strich. »Wie heißt Ihr?«
    »Igor Alexeijewitsch Litin!« schrie der Unterleutnant. »Und du …?«
    »Xenia Slawuta, moj drug (mein Freund)!«
    Dann waren sie auf dem Floß. Luka spürte es an der schlingernden Bewegung unter sich und seufzte. Natascha stieß mit der Peitsche in das Holz und traf Luka an dem rechten Ohr. So setzten sie über, fuhren noch zwei Werst weg von den Ufern des Dnjepr, und erst dann konnte Luka aus dem Holz kriechen und sich dehnen, daß die Knochen, der Anzug und der Mantel krachten.
    »Ein großes Aas bist du, Täubchen«, sagte er, und es klang voll bewundernder Anerkennung. »Nun wird in der Nacht der arme Litin nach dem vierten Haus suchen. Und die Bauern wird er am nächsten Morgen verprügeln, weil sie keine Xenia kennen. Bist ein Teufelchen, Nataschka –«
    Über den nächsten Fluß, den Bessied, setzten sie in gleicher Art hinüber. Dann lag das weite Land vor ihnen, ohne Hindernisse bis zur Desna, durchzogen von kleinen Flüssen und Bächen,

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