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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bauernkleider, ja sogar Frauenkleider zogen sie an, die Hunde, versteckten sich, arbeiteten als Knechte auf dem Feld oder ließen sich riesige Bärte wachsen und schlurften als uralte Männer durch die Kolchosen. Sie ließen sich neue Pässe auf andere Namen geben, heirateten sogar andere Mädchen und lebten ein zweites Leben. Eine verruchte Zeit war's, Freunde.
    In Moskau kannte man das ganz genau. Und so hatte man in größeren Städten, die von den Deutschen befreit worden waren, besondere Kommandos eingesetzt, die nur eine Aufgabe hatten, die kriegsmüden Soldaten wieder einzufangen, in die Uniform der Strafkompanien zu stecken und sie dorthin zu bringen, wo der vaterländische Krieg am heißesten war. Ganz schlimme Fälle von Deserteuren schickte man nicht einmal weg … man ließ sie an einer Grube niederknien und gab ihnen ein Schüßchen ins Genick. Vorher aber prügelte man sie kräftig, so daß sie oft nicht mehr merkten, daß sie erschossen wurden.
    Ein solches Kommando lag auch in der nächsten Stadt, die Kaluga hieß. Die nächste Truppe hatte ihr Quartier in Tula, und genau zwischen diesen beiden Städten lagen die Urwälder von Posdnjakowa, und in den Wäldern das Haus Lukas und Nataschas.
    Als der Frühling gekommen war und der jährliche Schlamm, den die Schneeschmelze erzeugte, auf den Straßen und Feldern von der Sonne getrocknet war, marschierten die Suchtrupps nach genauen Planquadraten durch die Wälder. Erfolg hatten sie, die gottverdammten Spürhunde. Neun armselige Soldaten holten sie aus den Betten einiger Bäuerinnen, wo sie den ganzen Winter warm und weich gelegen hatten, und es machte den Kommandos gar nichts aus, daß alle neun Bäuerinnen schwanger waren und um der Kinder willen um Gnade bettelten.
    Zwei Deserteure wurden erschossen, weil sie Widerstand leisteten, sieben ziemlich verprügelte Genossen wurden nach Westen verladen, wo die Rote Armee auf Berlin marschierte. Es war vorauszusehen, daß die Bäuerinnen ihre Mieter nicht mehr wiedersahen.
    Eines Abends kam Luka nicht zurück in die Hütte. Natascha wartete bis in die Nacht hinein, dann schlief sie übermüdet ein. Als Luka am Morgen noch nicht zurück war, ahnte sie, daß etwas geschehen sein mußte. Kalt wurde es in ihr, jene Nüchternheit kam wieder über sie, wegen der man sie in den Sümpfen gefürchtet hatte. Sie nahm Lukas Maschinenpistole, sah das Magazin durch, steckte ein zweites Magazin in die Tasche und hing sich die Waffe um den Hals. So verrichtete sie ihre Arbeit weiter, enthäutete einen Hasen und zimmerte einen Tisch aus Birkenstämmen. Dabei sah sie sich ihre Umgebung genau an, und sie wußte, daß sie sofort auf jeden schießen würde, der nicht Luka war.
    Auch am zweiten Tag des Wartens kam Luka nicht. Natascha biß die Zähne aufeinander. Ihr schmales Gesichtchen wurde hart und steinern. Aber sie suchte Luka nicht. Irgend etwas hielt sie ab, eine Ahnung, ein tierhafter Instinkt, ein Gefühl, das ihr sagte: Sich verkriechen ist besser als eine Heldin zu sein.
    Vier Tage wartete Natascha Astachowa. Dann wußte sie, daß Luka nicht mehr wiederkommen würde.
    Sie war allein mit dem Wald und dem Himmel. Und mit ihrem Haß gegen den Krieg und gegen alle, die um des Krieges willen Kriege führten.
    Major Washa Fjodorowitsch Dobrik sah erfreut auf den Berg aus Fleisch und zerlumpter Kleidung, den vier seiner Soldaten an dicken Stricken in seine Kommandantur brachten. Er hatte gerade gut zu Abend gegessen, erwartete in einer Stunde den Besuch einer jungen Studentin, die nach Kaluga verschlagen worden war, und hatte vor, vorher noch in die bagna zu gehen, sich kräftig durchschwitzen zu lassen, um später gestählt den Anforderungen der Nacht zu genügen.
    »Sieh an, welch ein Stier kommt da herein!« rief er fröhlich, als er Lukas ansichtig wurde. »Um so etwas ins Jenseits zu befördern, muß man ja zweimal in das Genickchen schießen!«
    »Vier Kameraden liegen im Sanitätszelt!« schnaufte einer der Fänger und wischte sich den Mund. »Erst dann gelang es uns, ihn zu fesseln. Zehn Mann waren nötig, Genosse Major.«
    »Aber nur ein Pistölchen genügt weiterhin.« Major Dobrik war in fröhlichster Laune. Er schrie nicht, wie sonst, wenn ein Deserteur vorgeführt wurde. Er wollte nicht heiser sein, wenn die kleine Studentin ihn bat, ein rauhes Soldatenlied zu singen. Denn Singen war die Leidenschaft Dobriks … er tat es laut und sogar im Takt, nur mit der Melodie stimmte es manchmal nicht. Aber was wollt ihr,

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