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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freunde … es war eben Krieg, und da ist vieles durcheinander …
    Luka stand in der Mitte des Raumes. Er sah Washa Fjodorowitsch an und rülpste. Der Major zog die Augenbrauen zusammen. Ein solches Benehmen vor einem Offizier der Roten Armee war unerhört. »Soldat?« fragte er laut.
    Luka antwortete mit einer unhygienischen Aufforderung, die Major Dobrik vergessen ließ, daß er am Abend singen wollte.
    »Klein kriegen wir dich, Freundchen!« brüllte er und wurde rot wie die Kremlfahne. »Natürlich bist du Soldat! Ich seh's dir an. Wo hast du gesteckt? Wann bist du Schwein davongelaufen?!« Und weil Luka noch nicht antwortete, hieb Major Dobrik mit beiden Fäusten auf den Tisch und schrie: »Erschießen! Morgen früh! Und die Grube, die schaufelt er sich selbst, das Riesenschwein!«
    Er winkte, und Luka wurde aus dem Zimmer geführt. Man steckte ihn in einen Keller, und die Tür war aus Eisen und selbst für Luka nicht mehr überwindbar. An der getünchten Kellerwand sah er in den Putz geritzte Abschiedsgrüße seiner Vorgänger.
    »Ich bin Anatoli Newar«, stand da. »Wenn du weiterlebst, Kamerad, so grüße meine Frau und meine vier Kinder. In Rybinssk wohnen sie. Gott danke es dir, Freund …«
    Luka biß sich auf die Unterlippe und rannte mit voller Wucht gegen die Eisentür. Aber sie rührte sich nicht. Nur ein Posten kam die Kellertreppe herunter, lachte und schrie jenseits der Tür:
    »Auch für Elefanten gibt's Gitter –«
    Dann ging er lachend wieder hinauf.
    Am Morgen holte man ihn aus dem Keller und gab ihm einen Spaten in die Hand.
    »Mach's groß genug!« schrie ihn ein Unteroffizier an. »Nicht daß wir dich mit krummen Beinen hineinlegen müssen.«
    Er lachte rauh, stieß Luka mit dem Kolben der Maschinenpistole in den Rücken und trieb ihn die Kellertreppe hinauf. Oben standen noch drei Soldaten, grinsten Luka an und klopften auf ihre Pistolentaschen, die sie an ihren Koppeln trugen.
    Was wird Natascha machen, dachte Luka, als man ihn hinters Haus führte. Dort war ein Garten mit schöner, schwarzer Erde, und er sah, daß viele Stellen umgegraben waren.
    »Wird ein fettes Fleckchen Land werden!« sagte er zu dem Unteroffizier. »Was wollt ihr denn pflanzen?«
    »Wo du liegst, da kommt ein Birnbaum hin!«
    »Kann's nicht ein Apfelbaum sein?« fragte Luka. »Ich habe Äpfel lieber –«
    »Was soll man da sagen, Genossen?« schrie der Unteroffizier. »Ans Sterben geht's, und der Kerl denkt daran, was über seinem Kadaver wächst! Los, Genosse … nimm den Spaten und fang an! Halt, leg dich erst hin … bei dir versagt das Augenmaß.«
    Luka legte sich auf die fette, schwarze Erde. Der Unteroffizier zog mit dem Spaten einen Strich um seinen Körper, zehn Zentimeter auf jeder Seite mehr, damit man Luka auch bequem hineinlegen konnte. Bekannt war's ja, daß sich Tote strecken und länger werden.
    »So, und nun los! Vielleicht kommt am Nachmittag schon der nächste –«
    Luka knurrte und stieß das Spatenblatt in die weiche Erde. Natascha, dachte er dabei. Hab' keine Angst, mein Täubchen. Sie stehen bald vor Berlin, haben die Kerle hier erzählt. Bald wird der Krieg zu Ende sein. Dann wirst du nach Moskau gehen, nicht wahr, und es wird ein anderes Leben beginnen. So, wie es Fedja Iwanowitsch wollte. Ein schönes Leben –
    Er schielte zu dem Unteroffizier. Er stand neben ihm und sah ihm grinsend zu. Hinter ihm stand ein anderer Soldat, die Pistole in der Hand. Das war alles. Die beiden anderen waren gegangen. Zwei Pistolen genügten, auch für dieses Untier, dachten sie.
    »Sie ist wirklich weich, die Erde«, sagte Luka und grub fleißig. »Es wird ein prächtiges Apfelbäumchen werden, Genossen …«
    »Birnbaum!« sagte der Unteroffizier.
    »Warum bist du so streitsüchtig, Freund?« Luka stützte sich auf den Spaten und sah den Unteroffizier an. »Ich kannte mal einen Offizier, der hatte auch immer das letzte Wort. Eines Tages war er tot. Der Schlag hatte ihn getroffen, weil sein Spiegelbild ihm immer die letzte Antwort gab.«
    Der Unteroffizier lachte. »Ein Idiotenwitz! Gut, gut! Aber grab, Genosse … wir haben nicht viel Zeit mehr …«
    »Da muß ich widersprechen, Genossen!« sagte Luka. Mit seinen mächtigen Händen packte er den Kopf des Unteroffiziers und den Kopf des Soldaten und stieß sie blitzschnell zusammen. Ehe sie merkten, was geschah, und sich wehren konnten, klang es so, als wenn man ein Ei aufschlage. Dann zerplatzten ihre Hirnschalen unter dem Zusammenstoß und sie hingen in

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