Nathan King - der Rinderbaron
was sie – abgesehen von der beruflichen Beziehung – der Gesellschaft dieser Familie hätte empfehlen können?
“Da gibt es kein großes Geheimnis, Sam”, sagte sie und zuckte die Schultern. “Anders als Sie oder alle anderen hier kann ich keine Familiengeschichte vorweisen, die sich Generationen zurückverfolgen lässt. Meine Mutter war eine Waise, ich war ihr einziges Kind. Sie war nicht verheiratet und hat auch nie geheiratet. Man hat mir nie erzählt, wer mein Vater war, und meine Mutter verstarb vor einigen Jahren. Sie sehen also, ich habe einfach nichts über meine Familie zu erzählen.”
Ihrer kleinen Rede folgte ein bestürztes Schweigen. Miranda fand es so bedrückend, dass sie sich gezwungen fühlte, weiterzusprechen, um die schreckliche Leere, die nun wahrscheinlich alle in ihrem Leben vermuteten, zu verkleinern.
“Familie spielt in meinem Leben keine Rolle. Aber es war sehr aufschlussreich, Ihren Erzählungen von der weit zurückreichenden Verbindung zwischen den Connellys und den Kings zuzuhören. Das ist eine ganz andere Welt als die, die ich kennengelernt habe.”
Sie wandte den Blick von Sams betroffenem Gesicht und wappnete sich, um Nathan in die Augen zu blicken – Nathan, der diese peinliche Befragung ihrer Person vom Zaun gebrochen und sie erneut auf dem falschen Fuß erwischt hatte. Deutlicher konnte nicht mehr ausgesprochen werden, dass sie für einen King nicht die geeignete Partnerin war. Jegliche Beziehung zwischen Nathan und ihr konnte nicht von Dauer sein.
“Die eingerahmten Fotos in der Eingangshalle … es muss faszinierend sein, auf eine solche Geschichte zurückblicken zu können, Teil davon zu sein.”
Er hielt ihrem Blick unbewegt stand. “Ja. Und am bemerkenswertesten sind die Frauen, die sich entschlossen, ihren Männern hierher zu folgen und mit ihnen von diesem Land zu leben. Wie zum Beispiel Sarah, die ein Bordell in Kalgoorlie führte, bevor sie ihr Glück mit Gerard wagte.”
“Sarah? Die die Tagebücher geschrieben hat?”, fragte Miranda ungläubig.
“Ja. Vielleicht interessiert es dich, sie irgendwann einmal zu lesen. Dann war da noch Dorothy, Gouvernante auf einer der Rinderfarmen in The Territory”, fuhr Nathan fort. “Eines von neun Kindern. Ihre Familie war so arm, dass sie praktisch zur Sklavenarbeit verkauft wurde. Auf diese Weise war ein Mund weniger zu füttern.”
Er schwieg bedeutsam, um Miranda Zeit zu geben zu begreifen, wie sehr seine Worte jegliche Vornehmheit in Verbindung mit seiner Familie Lügen straften.
“Irene war die Frau eines Farmarbeiters, der vom Pferd fiel und sich das Genick brach. Da sie sonst keinen Menschen auf der Welt hatte, blieb sie einfach hier und heiratete Henry King.”
“Aber das war in den alten Pioniertagen”, wandte Miranda vorsichtig ein. “Ich vermute, damals gab es sicher nicht so viele Frauen, die sich auf das Leben hier draußen einlassen wollten.”
“Heute sind es immer noch nicht mehr”, entgegnete Nathan sofort.
“Da irrst du dich bestimmt. Heute ist das ganz anders.” Sie wandte sich Elizabeth King zu, deren Perlenkette allein ein Vermögen wert war. “Meinen Sie nicht auch?”
“Es stimmt, dass es heute viele alteingesessene Familien in den Kimberleys gibt, was ihnen gewissermaßen einen Rang über den neu Hinzugezogenen verleiht”, antwortete Mrs. King nachdenklich. “Aber die Bevölkerung hier ist so gering … Wie viel sind es noch, Nathan? Dreißigtausend Menschen verteilt auf einem Gebiet von über dreihunderttausend Quadratkilometern?”
“Und die auch noch hauptsächlich angesiedelt im Umkreis von sechs der hauptsächlichen Städte”, bestätigte Nathan.
“Meistenteils gilt also die alte Outback-Regel immer noch”, fuhr Elizabeth King fort. “Respekt und Rang verdient man sich nicht so sehr damit, wer man ist oder woher man kommt, sondern damit, was man hier leistet.”
Meistenteils … Schweigend nahm Miranda diese Einschränkung zur Kenntnis.
“Tatsächlich gibt es in den Kimberleys so viele Leute mit einer äußerst bunten Vergangenheit”, warf Tommy ein, “dass es sogar ratsam ist, jeden so zu nehmen, wie er ist, anstatt zu genau nachzufragen.”
Jared nickte lächelnd. “Der letzte Außenposten der Zivilisation.”
“Voller farbenprächtiger Charaktere”, fügte Tommy hinzu.
“Aber es braucht Zeit, um sich Respekt und Rang zu verdienen”, kam Miranda auf den eigentlichen Punkt zurück. “Die Kings haben in dieser Hinsicht hier eine Investition von
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