Nathanael
dem Chili.» Nathanael schob sich eine Gabel mit Rührei in den Mund. «Ich hatte einen Mordshunger.»
Tessa schaufelte das restliche Rührei mit Speck aus der Pfanne auf seinen Teller.
«Du bist die ganze Nacht unterwegs gewesen.»
«Ich war bei Seth», erklärte er und nippte an seinem Kaffee.
«Und?»
«Vielleicht bin ich ein Stück weitergekommen. Lass uns später reden.»
Sie nickte. «Ich habe auch etwas Wichtiges in Hazels Aufzeichnungen entdeckt und wollte mit dir darüber sprechen.»
In wenigen Sätzen erzählte sie ihm von ihren Vermutungen. «Ich möchte heute diesen Arthur Soundso aufsuchen. Und dann zum Medical Center, das Reardon regelmäßig besucht hat.»
«Okay, aber vorher würde ich gerne noch duschen.»
Sein Lächeln hätte einen Atomkern zum Schmelzen bringen können. In diesem Augenblick spürte sie wieder diese Schwingungen zwischen ihnen, wie sie nur bei Nathanael vorhanden waren. Sie war in ihn so verliebt, dass selbst sein Lächeln ein Flattern im Bauch bewirkte.
Plötzlich schien die Luft elektrisch geladen zu sein, es kribbelte auf ihrer Haut. Ihre Blicke tauchten ineinander, alles um sie herum rückte in weite Ferne.
«Ich habe mir letzte Nacht Sorgen um dich gemacht», flüsterte sie. «Du hättest bei mir bleiben können.»
Er hob seine Hand und streichelte ihre Wange. «Dann hätten wir wieder miteinander geschlafen. Sobald dein Auftrag beendet ist, werde ich aus deinem Leben verschwinden. Es ist wirklich besser so.»
«Aber ich möchte mit dir zusammen sein, begreif doch. Du hast doch gesehen, wie es mir gelungen ist, meine Furcht zu besiegen, als der Dämon uns angegriffen hat. Das habe ich dir zu verdanken. Gemeinsam können wir alles schaffen. Ich bin nicht die verwöhnte, zerbrechliche Frau, die du vielleicht in mir sehen willst. Ich bin durchaus dazu in der Lage mit solchen Situationen umzugehen. Lass es uns wenigstens versuchen. Wir können nicht ständig gegen unsere Gefühle ankämpfen.»
«Tessa, bitte, …»
Nathanael wurde unterbrochen, als Joel die Bar betrat. Wäre der andere Blutengel nicht gekommen, wäre Nathanaels Selbstbeherrschung zusammengebrochen, das spürte Tessa. Seine Gefühle würden über die Vernunft siegen.
«Hey, habt ihr mir auch noch was übriggelassen? Cyn hatte mal wieder eine Sonderaufgabe für mich. Ich musste für sie den Kurier spielen. Mann, ich habe vielleicht Hunger.» Seine Augen suchten vergebens in der Pfanne.
«Ich mach dir noch welche», schlug Tessa vor und ging zum Herd hinüber. Sie warf Nathanael einen bedeutungsvollen Blick zu. Unser Gespräch ist noch nicht beendet, auch wenn Joel uns gestört hat.
Seiner ernsten Miene entnahm sie, dass er ahnte, was sie dachte.
Nathanael unterdrückte das Unbehagen, das in ihm aufstieg, als sie diesen Teil Harlems betraten. Das Viertel bot den idealen Unterschlupf für zwielichtige Nephilim wie Seth und alle anderen, die sich von ihrer Art distanzierten. Die Vergangenheit war überall gegenwärtig. Jede Straßenecke, jeder Winkel erinnerte ihn an seine Kindheit.
Tessa zog einen Zettel aus der Tasche und las. «Arthur Levi, 98 West.»
Nathanael erstarrte bei dem Namen.
«Wie heißt der? Levi?»
«Ja, wieso?» Tessa sah zu ihm auf.
Levi – Leviathan. War das Zufall oder existierte eine Verbindung zwischen den beiden? Womöglich dieselbe Person? Es war in der Vergangenheit nicht selten vorgekommen, dass Dämonen und auch Gefallene sich menschliche Namen aussuchten.
«Weil wir hier vielleicht umsonst suchen.»
«Wie meinst du das?»
In knappen Sätzen erklärte er ihr seine Vermutung.
Tessa schluckte und kaute auf der Unterlippe, während sie den Zettel noch immer zwischen den Fingern hielt. Sie schien zu grübeln.
«Wenn es wirklich Leviathan ist, wird der längst über alle Berge sein. Schließlich weiß er, dass ich seinen Spuren folge.»
Der Gefallene durfte sich keine Nachlässigkeit erlauben, die etwas über seinen Aufenthalt verraten könnte.
«Du hast sicher recht, aber ich möchte trotzdem nach dem Haus suchen und einige Bewohner befragen. Vielleicht bekommen wir ein paar Hinweise, die uns weiterbringen.»
«Also gut, suchen wir.»
Obwohl er Tessas Vorschlag zustimmte, verspürte er ein ungutes Gefühl. Und wenn er sich irrte und Leviathan sich noch in der Nähe befand? Wenn es zu einem Kampf kam, würde er ihn immerhin endlich in die Hölle zurückschicken können, wo er hingehörte.
Das Geräusch von Presslufthammern schallte durch die Straße und marterte
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