Nathanael
sein durch mangelnden Schlaf erschöpftes Hirn. Die Bauarbeiten an der neuen U-Bahn-Strecke zogen sich nun schon seit Monaten hin.
Tessa blieb unerwartet stehen und presste die Hand an die Schläfe.
«Was ist?»
«Dieses Hämmern macht mich ganz verrückt.» Sie stöhnte und presste ihre Hand weiter auf die Stirn. «Wir sind alle Häuser abgelaufen, aber Levis Name stand auf keinem Schild. Dabei hatte ich so gehofft …»
Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen. Scheinbar hatte sie genauso wenig in der vergangenen Nacht geschlafen wie er. Ob sie an ihn gedacht, sich vielleicht gewünscht hatte, er möge zu ihr kommen? Verdammt, nichts war ihm je so schwer gefallen, wie sie gestern Abend zu verlassen.
«Vielleicht hast du es dir falsch aufgeschrieben und es war die 98 East», sagte er rau und versuchte, eine widerspenstige Locke aus ihrem Gesicht zu streichen.
«Nein, ich bin mir sicher. Mein Kopf funktioniert noch ganz gut, auch wenn dieser Lärm mich gleich umbringt.»
Tessa verglich noch einmal ihre Notiz mit der Hausnummer. «Wir gehen jedes Haus noch mal durch. Vielleicht hatte Hazel einen Zahlendreher drin», entschied sie.
«Auf ein Neues.»
Die Straßenkarte studierend marschierte sie weiter.
Nathanael lief hinter ihr her. Doch ihr sanfter Hüftschwung lenkte ihn ab. Der Stoff ihrer Hose umspannte ihr wohlgerundetes Hinterteil wie eine zweite Haut.
Denk daran, was du dir vorgenommen hast , ermahnte ihn seine innere Stimme.
Aber einen Blick darf ich mir ja wohl gönnen . Das sehnsüchtige Ziehen in seinem Unterleib erinnerte ihn daran, dass selbst das vermutlich keine gute Idee war.
Er dachte daran, wie sie sich geliebt hatten, rief sich jede ihrer Gesten und geflüsterten Worte ins Gedächtnis zurück. Immer mehr geriet sein Entschluss ins Wanken, die Distanz zu ihr aufrecht zu erhalten.
«Da drüben ist es!», rief Tessa.
«Was ist da drüben?»
«Na, die 98, Levis Haus. Anstatt meinen Hintern zu begutachten, solltest du dich lieber auf unsere Aufgabe konzentrieren. Wir sind schon einmal daran vorbeigegangen und haben die verwitterte Hausnummer übersehen.»
Sie überquerten die Straße.
«Ich bin gespannt, ob sein Name auf dem Klingelschild steht.»
Nachdem Tessa ergebnislos die Namen studiert hatte, öffnete sich neben ihnen die Haustür. Ein älterer Mann mit mürrischer Miene schob sich an ihnen vorbei. Im Vorbeigehen tippte er zum Gruß mit dem Finger an seine Hutkrempe.
Tessa setzte ihm nach. «Hallo. Entschuldigung, Sir.»
Der Alte im Trenchcoat mit dem zerknitterten Gesicht drehte sich fragend zu ihr um. «Ja, Miss?»
Er stützte sich auf einen Stock mit einem Silberknauf, in Form eines Drachenkopfes.
«Wir suchen einen Arthur Levi, der hier wohnen soll. Aber wir finden ihn auf keinem Schild. Können Sie uns weiterhelfen?»
Tessa lächelte den Alten an, dessen Miene nicht eine Spur freundlicher wurde. Ein wachsamer Ausdruck trat in seine grauen Augen.
Er schüttelte den Kopf. «Der wohnt nicht mehr hier.»
Die Worte des Alten rauschten an Nathanael vorbei, denn plötzlich verspürte er eine Kälte, die auf die Anwesenheit einer Höllenkreatur deutete, die er noch nicht einordnen konnte. Irgendetwas stimmte nicht. Sofort begann jeder Nerv in seinem Körper zu vibrieren. Instinktiv legte er seine Hand an die Weste, unter der sich das Flammenschwert verbarg.
Seine Sinne waren aufs Äußerste gespannt. Die Höllenbestie musste sich ganz in der Nähe befinden. Vielleicht im Haus?
Nathanael versuchte, sich auf seine mentalen Kräfte zu konzentrieren, was ihm durch den Lärm im Hintergrund schwerfiel. Seine Augen suchten nach einem Hinweis. Aber alle Bemühungen verpufften im Nichts.
Er wandte sich blitzschnell um, aber es gab keinen Hinweis auf einen Boten Luzifers und die Kälte verschwand so schnell, wie sie gekommen war.
Als er sich wieder Tessa und ihrem Gesprächspartner zuwandte, fiel sein Blick auf ein Messingschild neben der Haustür. Die Farbe über der Gravur war abgeblättert. Er kniff die Augen zusammen und las die verwitterte Schrift. Medical Center for Palliative Care. B. Hollows , gelang es ihm zu entziffern.
Jemand schob eine Gardine ein Stück beiseite und beobachtete ihn. Er konnte durch den Store nicht erkennen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Als Nathanael zurücksah, wurde der Vorhang zugezogen.
«Wissen Sie zufällig, wohin er gezogen ist? Wir müssen ihn dringend sprechen», fragte Tessa den Alten, dessen Miene sich schlagartig
Weitere Kostenlose Bücher