Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)
über sich, mich mit dem gleichen flammenden Ausdruck anzusehen wie Ra und Adalbert. Sein Blick wurde sanfter, als er mich fragend ansah. »Woher wusstest du es?«
»Von Lazarus«, murmelte ich kleinlaut.
»Das war also sein Druckmittel?« Nathaniel betrachtete mich forschend. »Er hat gedroht, den Schild zu zerstören?«
Ich nickte stumm. Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Es tut mir so leid«, flüsterte ich.
Nathaniel hob instinktiv seine Hand um mich zu trösten, doch er ließ sie wieder sinken.
»Wir wussten nicht, dass es Seraphela war, die den Schild erschaffen hatte«, sagte Ramiel eindringlich. »Sie hat es keinem von uns gesagt.«
»Lazarus muss es gewusst haben«, murmelte Nathaniel. Sein Blick war wieder auf Seraphela gerichtet, die unbeweglich wie eine Puppe vor uns schwebte. Für eine Weile sagte niemand ein Wort.
Dann räusperte sich Adalbert. »Wir sollten … uns von ihr verabschieden.«
Nathaniel nickte. »Morgen, wenn die Sonne aufgeht.«
»Wartet«, murmelte ich. »Was soll das heißen, ›verabschieden‹?«
»Das wirst du morgen früh sehen«, antwortete Nathaniel. Ich erschrak.
Noch nie zuvor hatte er in so abweisendem Ton mit mir gesprochen. Etwas in meinem Innern verkrampfte sich, und es hatte nichts mit Seraphelas Tod oder Luzifer zu tun.
»Ich nehme Seraphela mit mir«, sagte Ramiel leise und legte seine Hand auf den Arm des toten Engels. Er nickte mir zu und verschwand mit Seraphela.
Adalbert und ich standen in Nathaniels goldenem Schimmer.
»Hier gibt es nichts mehr für uns zu tun«, sagte Nathaniel. Plötzlich klang er sehr müde. Ohne meine Zustimmung abzuwarten, legte er seine Hand an meinen Rücken und schob mich unsanft an Adalbert vorbei. Der alte Mann erwiderte meinen unsicheren Blick mit einem Ausdruck, der zu fragen schien: Wundert dich das wirklich? und folgte uns dann schweigend.
Nathaniel führte mich wortlos zurück zum Auto und wartete, bis Adalbert und ich eingestiegen waren.
»Nathaniel?«, flüsterte ich scheu und wagte kaum, ihn anzublicken. »Es tut mir so leid …«
»Ich weiß«, erwiderte er rau. Dann schwang er sich ohne ein weiteres Wort in die Luft über meinen Wagen.
Es konnte unmöglich wahr sein.
Seraphela konnte unmöglich tot sein.
Hätten wir uns doch nur anders entschieden, hätte ich doch niemals eingewilligt, Nathaniel zu diesem Treffen zu schicken …
Doch es war zu spät. Mein silberner Engel war fort.
Seit einer ganzen Weile schon stand ich in meinem Zimmer und starrte an die Wand. Ich hatte noch nicht einmal meine Jacke ausgezogen, nachdem ich Adalbert nach Hause gefahren und dann in meine Wohnung zurückgekehrt war.
Sera hatte mich beschützt, und sie hatte Nathaniel beschützt …
Nathaniel.
Unfähig zu sprechen blickte ich ihn an. Minuten verstrichen, ohne dass einer von uns etwas sagte.
Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, was er fühlte. Für mich hatte sich nichts verändert, doch für ihn musste sich alles verändert haben. Wie sehr ihn meine Gefühle für ihn erschüttert hatten, konnte ich in seinen Augen sehen. Seine abwehrende Reaktion schnürte mir die Kehle zu.
Ich fühlte, wie mir Tränen über die Wangen liefen. Aus Trauer um Sera, aus Wut auf Lazarus und aus Schmerz wegen Nathaniels Schweigen. Das unkontrollierbare Gefühlschaos in meinem Innern brachte mich um den Verstand.
Nathaniel starrte mich nach wie vor an, reglos, ohne das geringste Anzeichen dafür, dass er sich über meine wahren Gefühle für ihn freute. Im Gegenteil. Auf seinem Gesicht spiegelte sich fassungslose Verwunderung und ich glaubte, zu meinem Entsetzen, sogar Verzweiflung zu erkennen.
Der Kloß in meinem Hals war plötzlich riesengroß. Nach allem, was wir durchgemacht hatten, nach allem, was Seraphela auf sich genommen hatte, um Nathaniel zu schützen, bohrte sich seine Zurückweisung wie eine Klinge in mein Herz. Jetzt konnte ich ein Schluchzen nicht mehr zurückhalten und wandte mich von ihm ab.
Doch mit einer blitzschnellen Bewegung stand er plötzlich vor mir. Ich stieß gegen seine Brust und zuckte überrascht zurück. Mit gesenktem Kopf wollte mich wieder von ihm wegdrehen, doch er ließ es nicht zu. Seine Arme umfingen mich und er hielt mich sanft fest. Ich konnte mich ihm nicht entziehen, doch ich brachte es auch nicht über mich, ihn anzusehen.
»Victoria.« Seine schöne Stimme klang so samten, wie ich sie lange nicht gehört hatte. »Bitte sieh mich an.«
Ich biss mir auf die Lippen.
»Weshalb?«, murmelte
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