Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)
ließ ihn verstummen.
»Du willst nicht, dass wir streiten«, murmelte er dann.
»Es tut mir weh«, sagte ich leise.
Nathaniel nahm meine Hand. »Dann werde ich versuchen, mich zurückzuhalten. Ich verspreche es dir.«
Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln und griff nach meiner Schultasche.
»Weißt du, Sera würde vielleicht sogar einen guten Schutzengel abgeben«, murmelte Nathaniel nachdenklich. »Wenn sie nicht so ein verbohrter Sturkopf wäre.«
»Ich dachte, das wäre eine Grundvoraussetzung für den Job?«, fragte ich und grinste unschuldig.
»Sehr witzig.« Nathaniel zog eine Grimasse und schubste mich mit seinem Flügel aus dem Zimmer.
Auf dem Wohnzimmertisch lag Ludwigs Zeitung. Ich überflog die Schlagzeilen, während ich darauf wartete, dass das Wasser kochte.
»Dein Vater ist heute wieder sehr früh ins Büro gefahren«, bemerkte Nathaniel.
»Wenigstens hat er hier geschlafen, das ist doch schon was«, gab ich zurück. Die Bitterkeit in meiner Stimme ließ sich nicht verbergen.
Nathaniel sah aus, als wollte er etwas erwidern, stattdessen schwieg er.
Kluge Entscheidung , dachte ich und warf ihm einen warnenden Blick zu, den er jedoch lächelnd wegsteckte.
Etwas in der Zeitung erregte meine Aufmerksamkeit. »Warte … ist das nicht Melinda?« Ich deutete auf ein Bild.
Nathaniel warf einen Blick darauf und ich zog die Zeitung zu mir heran, um das Foto näher anzusehen. Es zeigte Melinda Seemann und einen weißhaarigen, gut aussehenden Mann, die sich vor dem Eingang der Universitätsbibliothek die Hände schüttelten und gemeinsam in die Kamera lächelten.
»›Großzügige Spende sichert Fortbestand der Bibliothek‹«, las ich die Überschrift des dazugehörigen Artikels. »Medienmogul Marcellus Van den Berg übergab gestern der Wiener Universitätsbibliothek eine Spende in fünfstelliger Höhe. Sie wurde von Prof. Dr. Dr. Melinda Seemann (links im Bild) im Namen der Dekane entgegengenommen. Professor Seemann, die eine langjährige Freundschaft mit dem Milliardär verbindet, dankte ihm mit den Worten: ›Ohne Gelder aus privaten Stiftungen wie der Van-den-Berg-Stiftung wäre die aufwendige Restauration der antiken Schätze unserer Bibliothek nicht möglich. Herr Van den Berg hat den kommenden Generationen heute einen großen Dienst erwiesen.‹ Van den Berg, obwohl selbst an der Spitze des Medienkonzerns Europa , ist für seine seltenen Auftritte in der Öffentlichkeit bekannt. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, den Scheck seiner Stiftung persönlich zu überbringen. ›Das Wissen, das in diesen Mauern gehütet wird, ist von unschätzbarem Wert und muss bewahrt werden. Meine Hochachtung gilt Melinda Seemann und ihrem Team, die seit vielen Jahren unermüdlich dafür sorgen, dieses Wissen zu erhalten und zugänglich zu machen‹, so Van den Berg. Die Stiftung unterstützt europaweit Universitäten und Hochschulen …«
Ich ließ die Zeitung sinken und starrte Nathaniel an. »Hast du das gewusst?«, fragte ich verblüfft.
»Was gewusst?«
»Dass Melinda diesen Milliardär kennt? Diesen Van den Berg?«
Nathaniel zuckte mit den Schultern. »Ist das wichtig?«
Ich schnappte nach Luft. »Hallo? Van den Berg ? Das ist nicht irgendjemand! Ich glaube, der hat sogar seinen eigenen Wolkenkratzer.«
Nathaniel schien nicht im Mindesten beeindruckt zu sein. »Kann sein, dass sie ihn einmal erwähnt hat. Sollten wir nicht gehen? Du kommst zu spät.«
»Verdammt!« Ich warf einen Blick auf die Uhr und rannte ins Vorzimmer.
Ich ergatterte einen der letzten Parkplätze und zwängte meinen roten Mini Cooper zwischen den eingedellten Peugeot von Madame Dupont und die Reihe knorriger Bäume, die das Ende des Schulparkplatzes markierten. Als ich aus dem Auto ausstieg, landete Nathaniel elegant neben mir.
Irgendwie ist es immer noch ein seltsames Gefühl, mit dir in der Öffentlichkeit herumzuspazieren , dachte ich, während wir über den Parkplatz eilten.
Nathaniel schmunzelte. »Hast du dich nicht längst daran gewöhnt, dass mich niemand sehen kann?«
Ich glaube, daran werde ich mich nie …
Ich hörte sie, bevor ich sie sah. Ihre wütenden Stimmen schallten über den Parkplatz.
War das etwa … Anne? Beunruhigt rannte ich los. Sekunden später bogen wir um die Ecke auf den Schulhof. Direkt vor dem Eingang der Schule stand Anne, mit geballten Fäusten und hochrotem Kopf. Ihr gegenüber stand Ariana, die Arme verschränkt, mit einem spöttischen Ausdruck im Gesicht. Hinter den beiden Mädchen
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