Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)
unwirklich. Mein Verstand wollte nicht begreifen, dass Nathaniels Verurteilung bevorstehen sollte … oder besser gesagt Nathaniels Hinrichtung . Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um und ich presste die Lippen aufeinander, um mich nicht zu übergeben.
Nathaniel stand angespannt neben mir und hielt seinen Blick auf das Flussufer gerichtet. Reglos erwartete er die Ankunft der Erzengel.
»Ramiel«, flüsterte ich verzweifelt. »Warum will er nichts tun, um sich zu retten? Wir müssen ihn überzeugen, wir müssen … «
Ramiel war meine letzte Hoffnung. Mit seinem scharfen Verstand müsste er es doch schaffen, Nathaniel davon zu überzeugen, nicht kampflos aufzugeben.
»Weil genau das sein Plan ist«, sagte Ramiel jedoch.
»Was?«, fragte ich entsetzt.
»Ich habe es zunächst auch nicht verstanden«, sagte Ramiel langsam. »Doch jetzt habe ich es begriffen.«
Die Zeit zerrann mir zwischen den Finger. Ich blickte Ra verständnislos an und meine Hilflosigkeit brachte mich zur Weißglut.
»Er wird die Entscheidung der Erzengel vollkommen akzeptieren«, sagte Ramiel mit leiser Stimme. »Doch dafür wird er von den Erzengeln eine Gegenleistung verlangen. Er will einen Handel abschließen, um dich zu schützen. Die Ewigkeit in der Hölle für deine Sicherheit.« Sein Blick ruhte auf Nathaniel. »Ist es nicht so?«
Mein Inneres gefror zu Eis. Ich starrte Nathaniel entsetzt an, während die Ankunft der Erzengel die Luft um uns erzittern ließ.
DAS ENDE DER WELT
»Nein!«, flüsterte ich und blickte in Nathaniels entschlossenes Gesicht. »Das darfst du nicht tun!«
Er zog mich an sich und presste seine Lippen an mein Haar.
»Bitte«, flüsterte er eindringlich. »Vertrau mir.«
Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust und meine Kehle war wie zugeschnürt. Nathaniel hielt mich im Arm und ich klammerte mich an ihn wie an mein Leben. Ramiel stand schweigend neben uns.
Ich atmete flach und mein Herz hämmerte gegen meine Brust, als sieben gleißende Lichtgestalten vor uns erschienen. Ihre Macht schlug mir wie eine gewaltige, alles erfassende Welle entgegen.
Nur Nathaniels starker Griff hielt mich auf den Beinen. Er drückte mich fest an sich und seine ausgebreiteten Schwingen wirkten wie ein Schutzwall gegen die Energie der Erzengel. Am ganzen Körper zitternd hielt ich meinen Kopf gesenkt und wagte nicht, in das strahlende Licht zu blinzeln. Als ich mich zwang, den Kopf zu heben, sah ich die Erzengel.
Sieben durchscheinende Lichtgestalten schwebten vor uns. Ich erkannte Michael, den prachtvollsten, strahlendsten Erzengel in ihrer Mitte. An seiner Seite sah ich den sich stetig wandelnden Gabriel, und dahinter Uriel, düster und furchteinflößend. Die anderen vier Erzengel sah ich zum ersten Mal. Sie waren alle unterschiedlich, doch alle hatten eine machtvolle Ausstrahlung und schienen aus reinem, gleißenden Licht zu bestehen.
»Sie sind alle gekommen. Alle sieben«, flüsterte Ramiel, als er zu mir trat und mich stützte. Nathaniel starrte mit versteinerter Miene auf die Erzengel, während seine Arme wie Eisenklammern um meinen Körper lagen.
W-was bedeutet das? dachte ich verwirrt.
»Nichts Gutes«, antwortete Nathaniel kaum hörbar.
»Nathaniel!«, erklang in diesem Moment eine flüsternde Stimme, gewaltig und ehrfurchtgebietend. Sie hallte durch die Schlucht und vibrierte in meinem Innern. Ich erkannte sie augenblicklich wieder … es war Michael, der mächtigste Erzengel, der sprach.
»Du weißt, warum wir gekommen sind!«
Ich fühlte, wie Nathaniel neben mir erstarrte.
»Du hast die Gesetze gebrochen«, erklang Gabriels schillerndes Flüstern.
»Es ist unverzeihlich!«, ertönte Uriels Stimme.
»Unverzeihlich!« Das unheimliche, überirdische Flüstern aller Sieben hallte plötzlich von den Felswänden.
»Du hast deinen Schützling dem Tod entrissen«, sagte Michael und die anderen verstummten augenblicklich. »Hast du etwas zu deiner Verteidigung vorzubringen?«
Nathaniel schwieg, reglos, sein Blick kalt wie der einer Statue.
» Nathaniel! «, murmelte Ramiel beinahe flehend. Doch Nathaniel reagierte nicht.
»Bestreitest du, was dir vorgeworfen wird?« , fragte Michael mit durchdringender Stimme.
Zu meinem Entsetzen schüttelte Nathaniel stumm den Kopf. Ich wollte schreien, ihn zur Vernunft bringen, wollte ihn dazu bringen, sich zu verteidigen, zu fliehen, zu kämpfen, was immer nötig war, um sich zu retten … doch er tat nichts von alldem. Mit erhobenem Kopf stand er vor dem
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