Nathaniels Seele
von Skalps vor Petalas Tipi hingen und die Zahl meiner Coups alles in dem Stamm bisher Erreichte überstieg, erkannte man mich zum Kriegshäuptling. Viele Jahre lang kämpften mein Heer und ich gegen eine immer größer werdende Bedrohung.
Wir schlossen uns mit den Comanchen, den Kiowas und Cheyenne zusammen, zogen nach Süden und überfielen Missionen, Minen und Forts. Unsere Kriegszüge errangen einen gefürchteten Ruf. Viele Absarokee anderer Gruppen, musst du wissen, wurden zu Verbündeten der Weißen, doch wir küssten niemals die Füße unserer Feinde, geschweige denn, dass wir zu ihnen krochen, um unser eigenes Blut zu verraten.
Irgendwann aber, nach vielen grausamen Jahren, erkannten auch wir, wie aussichtslos unser Kampf war.
Wir löschten einen Siedlertreck aus, und drei neue zogen von Osten heran. Wir nahmen ein Fort ein, und drei neue wurden errichtet. Unsere Waffen töteten viele, doch bald besaßen die Weißen neue Gewehre, die aus großer Entfernung präzise töteten und weiter reichten als jeder Bogen oder jede Lanze. Das Schlimmste aber war, dass sich der Gestank von Tod über die Prärie legte. Tausende und Abertausende Büffel verwesten auf den Ebenen, nur erschossen, um ihre Zungen herauszuschneiden und uns die Lebensgrundlage zu nehmen. Unsere Zahl schrumpfte so schnell wie unsere Zuversicht. Im letzten, großen Krieg kämpfte ich mit vielen Hundert Männern. Zurück kehrte ich mit vierundzwanzig, von denen mehr als die Hälfte schwer verwundet war. Wir begriffen, dass unser Widerstand sinnlos geworden war. Mein Volk war ausgeblutet und schwach wie ein Büffel, dem die Wölfe zu viele Wunden zugefügt hatten. Also zogen wir nach Westen. Wir zogen weiter und weiter, aber nirgendwo fanden wir die Ruhe, nach der wir uns sehnten. Überall tauchten sie nach kurzer Zeit des Friedens auf. Die Planwagen, die Forts und die Gewehre.
Aber erst, als ich an einem Frühlingstag meine Frau und meinen Sohn fand, zerrissen von einem Bären, gab ich wirklich auf. Von diesem Tag an resignierte ich. Es gab nichts mehr, für das es sich zu kämpfen lohnte. Das Herz meines Stammes war nicht mehr stark, in seinen Augen lag keine Leidenschaft mehr. Frauen gebaren keine Kinder mehr, weil sie es nicht ertragen hätten, sie in einer sterbenden Welt aufwachsen zu sehen.
Also stellten wir uns den Weißen, und sie brachten uns an einen Ort, den man Reservat nannte. Freie Nomaden, daran gewöhnt, die Weiten der Prärien zu durchziehen, hockten plötzlich in einem winzigen, eingezäunten und von Soldaten bewachten Terrain. Man verbot uns die Jagd. Man verbot uns, Zeremonien abzuhalten und Feste zu feiern. Die Erde, so sagten sie, gehöre dem weißen Mann und er sei die Krone aller Schöpfungen, womit er das Recht erwarb, sie nach Belieben mit Füßen zu treten.Man sagte, der große Gott der Weißen würde auch uns segnen, wenn wir nur seinen Weg beschritten, doch alles, was diesen Weg ausmachte, erschien uns wie eine Besudelung all dessen, was heilig war.
Man schnürte uns die Luft zum Atmen ab und erschoss jeden, der sich nicht einsperren ließ. Unsere Jungen wollten sich beweisen, so, wie sich alle Menschen in einem gewissen Alter beweisen wollen. Die überschüssige Energie, die in ihnen gärte, machte das Leben im Reservat zusätzlich zur Hölle. Ich versuchte, wenigstens einige Freiheiten für meinen Stamm zu erlangen, doch selbst wenn man sie uns gewährte, dauerte es nur wenige Tage, bis man sie uns wieder entzog. Angeblich, weil wir uns nicht an Vereinbarungen gehalten hätten.
Eines Tages, als mein letzter Lebensmut im Staub des Reservats versickert war, kam ein General namens George Jeremiah Sheridan zu mir. Seine Truppe hatte uns über Jahre hinweg erbittert verfolgt, und weil er mich als ebenbürtigen Gegner ehren wollte, bot er mir an, mich zum Verwalter des Reservats zu ernennen. Er zeigte mir ein Haus, das einer erstickenden Schachtel glich, er zeigte mir all die Annehmlichkeiten, die ich mir, sofern ich sein Angebot annahm, hätte leisten können. Doch ich lehnte ab, denn was brachte mir so ein Leben, wenn mein Volk vor meinen Augen dahinsiechte? Mit dem Ausschlag seines Angebots besiegelte ich mein Schicksal. Denn eine Schamanin namens Absá, die Frau, die du im Wald gesehen hast, verfolgte jeden meiner Schritte. Indem ich der Aussicht auf ein gutes Leben den Rücken kehrte, lieferte ich ihr den letzten Beweis dafür, dass ich der Richtige war.“
„Der Richtige wofür?“, wisperte Josephine.
„Das
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