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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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bereits dort draußen, witternd und lauernd. Als er in den geschmeidigen Laufschritt des Jägers verfiel, begleitete ihn der Blick des alten Mannes. Er haftete auf ihm, bis ihn die dunstigen Tiefen des Waldes verschluckten, und Nathaniel fühlte sich, als nähme er einen Teil der Seele dieses Menschen mit hinaus in das dämmerige, feuchte Dunkel.
    Unweit der Farm, inmitten eines Dickichts aus Adlerfarn, legte er seine Kleidung ab und verwandelte sich in jenen Absarokee zurück, der vor einhundertachtundvierzig Jahren durch die Hand der Schamanin gestorben war. Die Jeans wich geschmeidigen Beinlingen und einem Schurz aus Gabelbockleder. Ein fransenbesetztes, schlichtes Jagdhemd ersetzte das T-Shirt. Als er das Haarband löste und den Köcher schulterte, schrumpfte die Zeit, die ihn von seinem alten Leben trennte, zu einem Nichts zusammen. Seine Schritte in den Mokassins waren weich und federnd. Er rannte durch Haine düster aufragender Tannen und Fichten, durch Senken und über Hügel. Sein Atem ging kaum schneller, als er die nördliche Grenze des Farmlands erreichte. Hier, wo uralte Douglasien sich in moosüberwachsene Felsen krallten, wo nebelverhangene Schluchten sich öffneten und die Nadeln der Bäume vor Nässe tropften, befand sich sein heiliger Ort. Und hier, so spürte er, befanden sich auch die Eindringlinge.
    Nathaniel schulterte den Bogen und erklomm lautlos die Felsen. Instinktiv fanden Füße und Finger die sichersten Stellen, sodass nicht einmal ein herabrollendes Steinchen ihn verriet. Als er die Stimmen hörte, presste er sich eng gegen den Fels. Vor ihm lag ein flacher Abhang, der nach etwa fünfzig Schritten in ein weiteres Felslabyrinth überging. Zur rechten Seite fiel dieser Abhang in eine Schlucht ab. Zwei Männer bewegten sich darauf zu. Plump arbeiteten sie sich durch das Farndickicht, wischten fluchend Äste beiseite und rutschten auf dem Moos aus. Beide trugen schwarze Jeans, schwarze Regenjacken und dunkelgrüne Rucksäcke. Nachtsichtgeräte, dank des Morgenlichts überflüssig geworden, baumelten an ihren Gürteln. Der größere der Männer kam Nathaniel vage bekannt vor. Der Kleinere sagte ihm nichts. Sein blond gefärbtes Haar leuchtete hell in der Dämmerung des Waldes und war ebenso auffällig wie sein nie schweigendes Mundwerk.
    „Scheiße, lass uns umkehren. Soll er seinen stinkreichen Arsch selbst hierherbewegen. Ich habe es satt. Ich habe es so was von satt.“
    „Halt die Klappe“, zischte der größere, schwarzhaarige Mann. „Noch eine Stunde, dann lassen wir es gut sein.“
    „Wieso sucht er nicht selbst danach? Es ist immer dasselbe. Wir sind die Angepissten. Wir halten unsere Köpfe hin. Wir jagen nächtelang einer Einbildung hinterher.“
    „Du weißt, dass er daran glaubt“, erwiderte der Große beschwörend. „Für ihn existiert es.“
    „Und wie sieht es aus? Nicht mal das wissen wir, scheiße noch mal. Julia wird mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn ich wieder tagelang nicht auftauche. Er erlaubt nicht mal, dass wir miteinander telefonieren.“
    „Es ist ein Gefäß. Ein Gefäß in einem Grab.“
    „Vollkommen nutzlos. Seit wann sammelt er solchen Scheiß? Wieso geht er nicht in einen Laden und kauft sich einen Pott?“
    „Es geht nicht um das Sammeln.“
    „Wozu will er es dann? Wenn er schon fröhlich durchknallt, sollte er lieber nach dem Heiligen Gral oder der Bundeslade suchen. Was zum Geier will er mit irgendeinem Pott aus irgendeinem beschissenen Indianergrab?“
    „Er hat nicht gesagt, dass es ein Pott ist. Es ist ein Gefäß.“ Leises Prusten unterbrach die Worte. „Ein Gefäß mit grenzenloser Macht.“
    „Ich sag dir, wir arbeiten für einen Irren.“
    „Wir gehen, wenn du willst. Aber dann erklär du ihm, dass wir wieder nichts gefunden haben. Er wird uns die Köpfe abschneiden und sie in Champagner einlegen.“
    „Oder die von der Farm werden uns erwischen“, ereiferte sich der Blonde. „Was glaubst du, wer dann den Kopf hinhalten darf? Ganz sicher nicht er. Er wird natürlich leugnen, uns jemals gekannt zu haben. Und weil er genug Geld hat, um jeden Richterarsch dieser Welt zu schmieren, kommt er mit allem durch.“
    „Halt endlich die Klappe. Wir suchen noch dort unten in der Schlucht, dann verschwinden wir.“
    „Wir wissen nicht einmal, wie das Grab aussieht. Wenn es so alt ist, wie er sagt, könnte es nicht einmal mehr als Grab zu erkennen sein.“
    Der Schwarzhaarige hielt zielstrebig auf den Abhang zu. Nathaniels Körper

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