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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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die RAF sie nicht um Unterstützung bei der Befreiung ihrer Gefangenen gebeten habe. Mohnhaupt traf alsbald einen Palästinenser namens Wadi Haddad, einen Arzt mit dem Kampfnamen »Abu Hani«. Der 1927 im heutigen Israel geborene Palästinenser war 1948 mit seiner Familie nach Jordanien geflohen und hatte zu den Gründern der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) gehört. Im »Kampf über den Wolken« hatte er spektakuläre Flugzeugentführungen organisiert, war aber wegen seiner undiplomatischen Militanz aus der PFLP ausgeschlossen worden und firmierte nun als PFLP-Special Command, PFLP-SC. Zudem kooperierte Haddad, der im Frühjahr 1978 in der Ost-Berliner Charité an Krebs sterben sollte, seit 1968 mit dem sowjetischen Geheimdienst KGB. 4

    In jedem Fall erklärte er nun Mohnhaupt, dass seine Organisation bereit sei, die RAF mit einer eigenen Aktion zu unterstützen. Schnell machbar sei die Besetzung der westdeutschen Botschaft in Kuwait oder die Entführung eines Flugzeugs. 5 Bei der Besetzung der westdeutschen Botschaft in Stockholm hatte die RAF im April 1975 ein Desaster erlebt; dann lieber eine Flugzeugentführung. Rolf Heißler schrieb später: »wir haben uns diese entscheidung nicht leicht gemacht. nach langen diskussionen haben wir unsere zustimmung« gegeben.

    »Landshut«-Entführer Zohair Akache und Souhaila Sayeh.

    Haddad suchte vier Kader für das Kommando aus. Die Führung sollte Zohair Akache übernehmen. Er war 23 Jahre alt, in einem Flüchtlingslager in Beirut aufgewachsen und hatte in London Flugzeugtechnik studiert. In der britischen Hauptstadt hatte Akache auch an Ostern 1977 den ehemaligen Regierungschef von Nordjemen und dessen Frau erschossen. Souhaila Sayeh stammte aus einer bei der Gündung Israels aus Haifa vertriebenen palästinensischen Akademiker-Familie. Sie hatte miterlebt, wie 1975 im libanesischen Bürgerkrieg Tausende Menschen in dem palästinensischen Flüchtlingslager Tel Zatar in Beirut getötet wurden. Sayeh war 22 Jahre alt, Hind Alameh, die zweite Frau des Kommandos ebenso; Nabil Harb, ein außergewöhnlich gut aussehender Mann, war 23 Jahre alt.

    Die vier Palästinenser flogen nicht zusammen nach Mallorca. Ebenfalls auf die Ferieninsel reiste - zu diesem Schluss kam das Oberlandesgericht Frankfurt im Jahr 1998 - eine mit dem PFLP-SC-Residenten in Aden verheiratete Deutsche. Sie selbst stritt es immer vehement ab, das Oberlandesgericht Frankfurt aber sah es als erwiesen an, dass sie den Palästinensern auf Mallorca ein Radio, zwei Pistolen, sechs Handgranaten und knapp ein Kilogamm Plastiksprengstoff übergeben habe. Die Angeklagte, die den Decknamen »Amal« trug, habe die Waffen, unter der Kleidung ihrer drei Monate alten Tocher versteckt, durch die Kontrollen geschmuggelt.

    Nachdem die entführte »Landshut« in Rom gelandet war, rief Bundesinnenminister Werner Maihofer seinen italienischen Kollegen Francesco Cossiga an. Er müsse die Entführer aufhalten, forderte der Deutsche; Polizisten sollten dem Flugzeug die Reifen zerschießen. Aber der italienische Christdemokrat hatte kein Interesse an einer Eskalation, die zur Sprengung der Maschine hätte führen können. Die »Landshut« wurde in Rom aufgetankt und flog nach Larnaka auf Zypern weiter.

    In Bonn schob bei einer Sitzung des Krisenstabes Hans-Jürgen Wischnewski Kanzler Schmidt einen Zettel zu: »Sollte ein Flug nicht schon technisch vorbereitet werden?« Schmidt schickte ihn prompt mit der Anwort zurück: »Ja, für Dich.« 6 Der Staatsminister im Kanzleramt hatte wegen seiner guten Kontakte in arabischen Ländern den Spitznamen »Ben Wisch«.

    Zunächst allerdings landete auf dem Flughafen Köln-Bonn eine Lufthansa-Maschine für eine Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes, für die »Grenzschutzgruppe 9« (GSG 9). Schon fünf Jahre lang - seit dem Massaker während der Geiselnahme israelischer Sportler bei der Olympiade in München 1972 - hatten die Grenzschützer Einsätze gegen Terroristen trainiert, nicht zuletzt das Stürmen eines Flugzeugs. Insgesamt 66 GSG-9-Männer in Zivil gingen mit Waffen, Leitern, Nachtsichtgeräten und anderer Spezialausrüstung an Bord und flogen nach Zypern.

    Die »Landshut« brauchte in Larnaka wieder Treibstoff; und Mahmud drohte, er würde die Maschine in die Luft sprengen, wenn sie nicht aufgetankt würde. Jetzt nannte er auch den Namen das Kommandos: »Martyr Halimeh«. Halimeh war der arabische Deckname von Brigitte Kuhlmann von den Revolutionären Zellen.

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