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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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hinzu: »Ich habe die Übersicht über diese Modedrogen völlig verloren, muss ich gestehen.«
    »Ich werde sehen, was sich machen lässt«, antwortete Frau Seiler unsicher, und schob die Brille zum x-ten Mal wieder hoch.
    »Sie wissen, dass mich meine Assistentin begleitet?« Diese Bezeichnung für ihre Tochter gab der Mission einen professionelleren Charakter. Dank Audreys Sturheit brauchte sie noch nicht einmal beim Namen zu flunkern. Nur der Doktortitel war nicht ganz koscher. Dr. Eleonora Bruno und Dr. Audrey Barrès gaben sich die Ehre.
    »Natürlich, kein Problem. Das Firmengelände liegt bei Humacao im Südosten der Insel, etwa eine Stunde von hier. Ich könnte Sie morgen mit dem Wagen abholen. Um acht Uhr, ist das O. K.?«
    Für Leo war alles O. K., solange sie hinter das Geheimnis der Droge kam, die ihr Michel geraubt hatte. Ruth Seiler verabschiedete sich. Der originelle Footballspieler hatte sich längst aus dem Staub gemacht. Andere Gäste bevölkerten nach und nach die Bar. Sie blieb unschlüssig am Tisch sitzen. Audrey hatte sich noch nicht gemeldet. Ihre Exkursion ins lokale Polizeipräsidium dauerte nun schon mehrere Stunden, was auf wichtige Neuigkeiten hoffen ließ.
    Lange hielt sie es nicht aus im zunehmenden Gedränge. Sie floh aufs Zimmer, bevor ein zweiter Sportler sein Glück versuchte. Am offenen Fenster wehte ihr eine angenehm kühle Brise vom Meer entgegen, das jetzt schwarz unter der fahlen Sichel des Mondes schimmerte. Die langgezogene, dumpfe Klage einer Schiffssirene kündete vom Einlaufen einer weiteren Horde kauflustiger Kreuzfahrer.
    Es klopfte. »Leo, bist du da?«
    Wie elektrisiert öffnete sie die Tür und überfiel Audrey ungeduldig mit Fragen.
    »Langsam, langsam«, wehrte Audrey ab. »Eins nach dem andern. Klappt es morgen mit RDC?«
    Widerwillig fasste sie die Unterhaltung mit Ruth Seiler zusammen, dann drängte sie wieder: »Was hast du so lange gemacht, Miss Marple? Nun sag schon.«
    Audrey schmunzelte zufrieden. »Du wirst es nicht glauben«, murmelte sie. »Die ersten zwei Stunden brauchte ich, um eine Audienz beim allmächtigen Comandante Rodriguez zu bekommen. Die Kollegen hier sind alles andere als erpicht darauf, mit Interpol zusammenzuarbeiten. Es ging nicht ohne längere Telefonate mit Lyon.«
    »Mein Gott, Audrey. Mich interessieren doch eure Interna nicht im geringsten. Erzähl endlich, was du herausgefunden hast.«
    »Wer sagt dir, dass ich ...«
    »Audrey!«, schnaubte Leo ärgerlich.
    Ihre Tochter erzählte seelenruhig weiter, wie sie endlich doch noch auf die Informationen gestoßen war, bevor sie die Bombe platzen ließ: »Wir kennen jetzt den Namen des Colonel.«
    »Was?«, rief Leo und sackte überwältigt auf die Bettkante.
    »Er heißt Théodore oder Theo Garnier. Aber es kommt noch besser.« Sie machte eine Kunstpause und grinste, als sie Leos verzweifelter Blick traf. »Dieser Garnier war seit fünf Jahren Leiter der Reha-Klinik hier auf Puerto Rico, bis zum Zeitpunkt, wo sie wegen eines Skandals geschlossen wurde. Es gab damals eine Reihe ungeklärter Todesfälle. Man hat die Leichen nie gefunden. Man konnte Garnier nichts nachweisen, und bald danach verloren sich seine Spuren.«
    »Das bedeutet ...« Leo versagte die Stimme. Sie wussten endlich, wer hinter dem Pseudonym steckte, und dennoch entzog sich ihnen dieses Phantom einmal mehr. Lebte dieser Colonel Garnier überhaupt noch? »Merde«, schimpfte sie zähneknirschend.
    »Ich weiß, es ist zum Verzweifeln, Maman. Aber wir werden ihn finden. Ich habe nämlich noch etwas erfahren. Diese Reha-Klinik war eine Einrichtung der US-Army, wie du vielleicht schon vermutest. Du weißt schon, Behandlung von traumatisierten Soldaten, die vom Golf, aus dem Irak und Afghanistan zurückkehrten.«
    »Mit Medikamenten von RDC«, rief Leo aus.
    »Du sagst es, und nicht nur das. RDC hat damals die Einrichtung praktisch finanziert, was ihnen de facto Narrenfreiheit verschaffte. Ich kann mir gut vorstellen, dass die saubere Firma hier einige nicht ganz geheure Experimente durchgeführt hat.«
    »Und nicht nur hier«, knurrte Leo wütend. »Ich bin sehr neugierig auf unsern Besuch morgen.«
Biovalley, Basel
    Jodie Rowley schaute dem Tierarzt erwartungsvoll über die Schultern. Gewissenhaft und nervenaufreibend langsam klickte er sich durch die Bilder, die der Tomograf lieferte. Neben dem Bildschirm hingen ältere Aufnahmen an einer Leuchtwand: Schnitte durch Rattenhirne. Sie dienten nur als grobe Vergleichswerte, denn

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