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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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wenn sich auch ihr Herz heftig dagegen sträubte. In der Rue Saint-André stellte sie den Wagen in sicherer Entfernung am Straßenrand ab. Sie öffnete das Handschuhfach. Das kleine, lichtstarke Fernglas lag auf dem Futteral ihrer Dienstwaffe. Ihre Hand berührte den schlanken Griff der SIG Pro nur kurz, dann nahm sie den Feldstecher und schloss das Fach. Sie war hier nicht im Dienst.
    »Hast dir mächtig Zeit gelassen«, zischte Leo unwirsch, als sie wieder beim Beobachtungsposten eintraf.
    Tatsächlich standen bereits mehrere Limousinen und Sportcoupés unter den Bäumen, und am Eingang herrschte reger Betrieb. Sie reichte ihr stumm das Fernglas. Ihre Mutter kannte sich entschieden besser aus in der gehobenen Gesellschaft, und um die handelte es sich vermutlich.
    »Wer sagt’s denn«, flüsterte Leo plötzlich erregt. »Der Dicke neben den Beinen mit der blonden Perücke ist eindeutig der brillante Maître Fabergé, einer von Rosenbergs Liste.«
    Audrey lächelte säuerlich und meinte: »Scheinbar sind wir auf der richtigen Party.«
    »Aber sicher. Die Nationalbank ist auch vertreten, wie ich sehe.«
    »Schön, und was gedenkst du jetzt zu tun?« Inzwischen war es zwanzig vor zehn und es machte den Anschein, dass sich die Kirche allmählich füllte mit den vielen Gästen. Die Leute sahen gar nicht aus wie lichtscheue Verschwörer. Smoking und Abendkleid dominierten die elegante Garderobe der exklusiven Gesellschaft. Der Aufmarsch erweckte eher den Eindruck einer glanzvollen Galapremiere als eines geheimen Treffens skrupelloser Verschwörer.
    Leo gab ihr das Fernglas zurück und antwortete: »Wir gehen rein«, als sei es die größte Selbstverständlichkeit.
    »Was?«
    »Wir mischen uns einfach unter die Gäste, das fällt nicht auf. Die müssen sich nicht einmal ausweisen, soweit ich beobachten konnte. Wir passieren das Tor und steuern einfach auf das nächste Glas zu, wie die andern.«
    »Wozu dann der ganze Aufwand mit dem Scanner und dem Geheimdienst?«
    Ihre Mutter zuckte die Achseln. »Vielleicht haben sie Angst vor langen Messern und Artillerie.«
    »Das alles scheint dir ja mächtig Spaß zu machen. Ich finde deinen Plan reichlich fragwürdig, vorsichtig ausgedrückt.« Sie zeigte auf die zerschlissenen Jeans, die sie beide trugen und fragte rhetorisch: »Kannst du mir erklären, wie wir darin um Himmels willen nicht auffallen sollen?«
    Leo lächelte. »Keine Sorge, lass mich nur machen«, beruhigte sie, als hätte sie tatsächlich einen vernünftigen Plan.
    Mit flauem Gefühl im Magen trat sie mit Leo aus der Deckung. Sie schritten über den Parkplatz auf das Tor zu, zusammen mit einer Gruppe weißhaariger Herren, die eben ihren Bentley geparkt hatten. Niemand schien sich um sie zu kümmern. Entschlossen trat Leo durch die Öffnung, nachdem sie die Männer ohne weiteres durchschritten hatten. Im selben Moment schrillte ein Alarm, starke Arme packten sie an den Schultern, hielten sie fest wie ein Schraubstock, und zwei der schwarzen Männer verstellten den Eingang, dass kein Floh mehr durchkam, ohne erschossen zu werden. Scheißplan! , schoss Audrey durch den Kopf. Ihr blieb nichts übrig, als mit den andern Anstehenden zu warten, bis sich das ›Missverständnis‹ klärte. Widerwillig musste sie ihre Mutter bewundern, wie sie kühl und beherrscht reagierte, als hätte sie mit Kleinigkeiten dieser Art gerechnet.
    »Ach, pardon. Ich dachte nicht an die Schlüssel«, lächelte Leo zuckersüß und streckte dem Bodybuilder, der sie festgehalten hatte, die Tasche entgegen. Der blieb bockstill stehen. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Nur die Augen fixierten die Unbekannte in den deplazierten Jeans, als wollte er bei der geringsten Bewegung die Waffe ziehen. Ein Kollege eilte herbei, wedelte mit einer Art Handscanner über ihre beiden Oberarme, dann schüttelte er den Kopf.
    »Tut mir leid, Madame. Sie tragen keinen Chip. Wir können Sie nicht hereinlassen. Bitte treten Sie zurück.«
    Einer der Freundlichen und sprechen kann er auch , dachte Audrey. Diese Nummer war gelaufen. Schon wollte sie sich abwenden, um nicht auch noch in die peinliche Kontrolle zu geraten, da überraschte Leo sie nochmals.
    »Sie müssen sich irren, junger Mann«, erklärte sie dem Freundlichen. Ich kann Ihnen den Chip zeigen. Er hat eine monströse Narbe hinterlassen, affreux! Schauen Sie.«
    Audrey traute ihren Augen nicht. Leo löste flugs einen Knopf ihrer Bluse nach dem andern, bis der Ausschnitt beinahe zum Nabel reichte. Die

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