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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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bitte.« Sie gehorchte mechanisch. »Edmond? Bastien hier. Ich glaube, es ist am besten, wenn Sie hierher kommen. Leo sollte jetzt nicht allein sein. Ich bin in zehn Minuten in der Klinik. O. K.?«
    Leo fragte er nicht. Sie hörte ohnehin nur mit halbem Ohr zu, während sie die Telefonnummer des Capitaine Delcour bei Interpol suchte. Kaum hatte Muehlberg die Wohnung verlassen, rief sie ihn an. Die Stichworte Audrey, Colonel und Entführung genügten, dass man sie ohne weiteres mit Audreys Chef verband.
    »Die Fahndung nach Damien Fabre geht sofort hinaus«, sagte er ruhig, nachdem sie ihm die Zusammenhänge in aller Eile geschildert hatte. »Entschuldigen Sie mich für einen Augenblick.« Eine quälend lange Minute war die Leitung tot. Dann sprach er weiter: »Die Pariser Kollegen sind schon unterwegs zu seinem Büro.«
    »Danke – was soll ich tun?«, stammelte sie unsicher.
    »Sie unternehmen gar nichts. Eine ganze Armee ist unterwegs, Madame. Wir finden Ihre Tochter und diesen Colonel. Vertrauen Sie uns. Bleiben Sie einfach zu Hause. Wir melden uns, sobald wir mehr wissen.«
    Zu Hause herumsitzen und warten: das konnte sie schon unter normalen Umständen nicht. Die Ungewissheit ließ ihr keine Ruhe. Immer wieder versuchte sie, Audrey anzurufen. Jedes Mal, wenn sie auflegte, sackte ihre miese Laune ein paar Stufen tiefer in den Keller. Der Gedanke an Hundertschaften von Polizisten, Straßensperren, Kontrollen auf Bahnhöfen und Flughäfen beruhigte sie keineswegs. Der Professor hatte Audrey in seiner Gewalt. Was er mit ihr anstellen würde, wenn sie ihn in die Enge trieben, wagte sie sich nicht auszumalen.
    Das Telefon klingelte. »Ihre Vermutung hat sich leider bestätigt«, berichtete der Capitaine aus Lyon kleinlaut. »Wir haben in Fabres Büro Beweise für seine Identität sichergestellt. Er ist der Colonel.«
    »Audrey?«
    »Noch kein Kontakt zu ihr – tut mir leid.«
    »Wo ist sie?« Ihre Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern.
    »Wir finden Sie. Vertrauen Sie mir.«
    Einen Scheiß werdet ihr , schimpfte sie im Stillen und legte auf, bevor sie losheulte. Wie sollte sie dem Capitaine vertrauen? Er hatte gerade ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Wo blieb Edmond? Aufregung und Ärger schlugen ihr auf den Magen. Sie rannte ins Badezimmer, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und trank gierig vom Hahn. Das Bild des Fliehenden Verrückten mit ihrer Tochter als lebendem Schutzschild ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie drehte den Hahn zu, und mit einem Schlag wusste sie, was sie tun musste. Sie schlüpfte in die Schuhe, warf sich die leichte Jacke über, packte die Tasche und stürmte aus ihrer Wohnung. Michels schneller Porsche fuhr aus der Tiefgarage, als Edmond an ihrer Tür klingelte.
     
    Der Rettungswagen des Pariser SAMU brauste mit hoher Geschwindigkeit durch Dijon am Fuß des Jura. Auf der Ausfallstrasse Richtung Besançon stauten sich Personenwagen und Kleinlaster vor einer Barriere aus Polizeifahrzeugen. Der Fahrer der Ambulanz schaltete ohne abzubremsen die Warnlichter ein, ließ die Sirene aufheulen und raste auf der Gegenfahrbahn auf die Straßensperre zu. Die Beamten räumten blitzschnell eine Gasse frei, um ihn zu seinem Notfall durchzulassen. Es fiel keinem auf, dass er allein im Fahrerhaus saß.
    »Anfänger brummte er verächtlich. Kaum waren Sperre und Autokolonne hinter einer Häusergruppe verschwunden, schaltete er Blaulicht und Horn wieder aus und fuhr unbehelligt weiter auf die Schweizer Grenze zu.
     
    Audrey sah die Ambulanz wie eine führerlose Lok auf sich zurasen. In höchster Not versuchte sie sich mit einem Sprung zur Seite zu retten, aber die enge Gasse ließ ihr keinen Raum. Ihre Füße klebten am Boden, die Beine versagten den Dienst. Sie sah sich auf dem Stahlblech des Autos zerplatzen wie die Mücke auf der Frontscheibe. In Todesangst riss sie die Augen weit auf. Auch das gelang ihr mehr schlecht als recht.
    Verwirrt starrte sie auf eine weiße Wand. Die Ambulanz war verschwunden. Nur das Martinshorn heulte weiter. Nach und nach begriff sie, dass sie selbst in diesem Rettungswagen lag, festgezurrt auf der Trage. Sie versuchte, sich aufzurichten, doch ein tonnenschweres Bleigewicht presste sie auf die Liege. Kein Muskel gehorchte ihr. Sie sah und hörte alles, was um sie herum vorging, nur ihren Körper spürte sie nicht mehr. Vollkommen hilflos lag sie da. Die Angst kehrte zurück, und diesmal war es kein Traum.

KAPITEL 14
     
Le Noirmont, Schweizer Jura
    D ie

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