Natur
Umweltaneignung (eigenes Foto)
Graumann (1996) hat den Bedeutungshorizont des Begriffs erweitert, indem er zur Aneignung auch Handlungen zählt, die keine sichtbaren physischen Spuren und Veränderungen in der Umwelt hinterlassen. Solche kognitiven Formen der Aneignung sind das Beschreiben, Benennen und Kategorisieren von Naturphänomenen, z. B. werden Stürme und Hurrikane 15 mit Namen versehen, Pflanzen kategorisiert oder Erdbeben nach ihrer Stärke eingeteilt.
Abbildung 1-23: Betrachten und Aneignen von Natur (Lewis, 1991, S. 248)
Die Natur wird bei den kognitiven Aneinungsformen nicht physisch nicht verändert.
Eine besondere Form der Aneignung ist die Domestikation von Tieren. Aus wilden Pferden werden durch Zähmung und Zucht Reittiere, mit denen man auch unmotorisiert größere Entfernungen überwinden kann.
Der Mensch verwandelt durch sein aneignendes Handeln physischen in psychologisch bedeutsamen Raum, er macht aus geografischem «space» einen persönlichen «place» 16 . Places sind psychologisch bedeutsame Umwelten, die mit spezifischen Verhaltensweisen, Einstellungen, Erwartungen und Gefühlen sowie der eigenen Lebensgeschichte verknüpft sind (Low & Altman, 1992; Hunziker et al., 2007; Stedman, 2003). «Personalisierung» bezeichnet personspezifische Veränderungen von Umwelten (Graumann, 1996), aus denen auf die Eigenschaften und Vorlieben eines Menschen zurück geschlossen werden kann.
Kognitive Aneignung bewirkt, dass der Mensch die Umwelt begreift und versteht. Dagegen sind die Ziele der Umwelt verändernden Aneignung, die Umwelt funktionaler bzw. gebrauchsfähiger zu machen und darüber hinaus durch Erzeugung von Spuren zwischen sich selbst und der Welt eine Brücke herzustellen (Boesch, 1991), das heißt, sich sichtbar zu verwirklichen. Die Bedeutung des eigenen Gartens rührt nicht zuletzt daher, dass er die Möglichkeit bietet, solche Spuren zu erzeugen (vgl. Kapitel 3.3 , S. 145).
Aneignung hat demnach nicht nur mehr oder weniger Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf den Menschen. Diese Änderungen müssen nicht sichtbar sein. Zum Beispiel ändern sich die Einstellungen, weil es schwer fällt, etwas nicht gut zu finden oder abzulehnen, wozu man selbst beigetragen hat. Von dieser aus der Dissonanztheorie ableitbaren Hypothese sind Sommer und Mitarbeiter (1994) ausgegangen, als sie den Effektder Bewohnerbeteiligung beim Pflanzen von Bäumen untersucht haben. Die Gelegenheit, den Einfluss des aktiven Mitmachens zu ermitteln, ergab sich in der Stadt Sacramento in Kalifornien, in der eine Baumpflanzinitiative gegründet wurde mit dem Ziel, zehn Jahre lang in der Region jährlich 50 Tausend neue Schatten spendende Bäume zu pflanzen. Diejenigen, die aktiv bei der Baumpflanzaktion mitgemacht hatten, waren mit der Nachbarschaft zufriedener, sie fanden ihre Wohnumgebung attraktiver und freundlicher und hatten weniger Interesse wegzuziehen. Ihre Einstellung zu den gepflanzten Bäumen war signifikant positiver als die Einstellung der Bewohner, bei denen eine Entwicklungsgesellschaft die Aktion in die Hand genommen hatte. Nach Ansicht der Forscher ist es deshalb ein falscher Ansatz, in einem Wohngebiet Bäume zu pflanzen, ohne den Bewohnern die Möglichkeit zu geben, sich aktiv daran zu beteiligen.
Der «sense of place»
Die Bedeutung eines Ortes hängt von den Aktivitäten ab, die dort ausgeübt werden, und von den Gefühlen, die mit diesem Ort assoziiert sind. Wie wichtig das Verhalten als «Bedeutungsträger» ist, zeigt sich daran, dass von einem Ort häufiger im Gedächtnis bleibt, was man dort gemacht hat als die architektonischen Details (Genereux et al., 1983). Das, was ein Mensch dort tut, gibt dem Ort einen bestimmten Sinn, den «sense of place». Eine weitere Dimension von «places» sind die mit diesem Ort verbundenen Gefühle.
Was genau mit sense of place gemeint ist, wird sichtbar, wenn es im Rahmen einer empirischen Untersuchung erforderlich ist, das Konzept konkret zu definieren. Kaltenborn (1998) hat z. B. sieben Items verwendet, um den sense of place der Bewohner Spitzbergens, einer Inselgruppe in der Arktis, zu ermitteln. Von den Befragten sollten folgende Aussagen daraufhin beurteilt werden, inwieweit sie für sie zutreffen:
• Ich fühle mich mit Spitzbergen verbunden
• Ich habe das Gefühl, dass ich hierher gehöre
• Es gibt Bereiche, die ich als Teil von mir selbst empfinde
• Was in Spitzbergen passiert, ist wichtig für mich
• Ich erlebe Spitzbergen
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