Natur
kann, wird das Optimum an Mystery überschritten. Der Wald, der keinen Durchblick bietet, ist ein allegorischer Ort, er repräsentiert das Unheimliche. Das Nichtsehen können bzw. die mangelnde visuelle Kontrolle ruft Unsicherheits- und Angstgefühle hervor (Herzog & Kropscott, 2004).
Abbildung 2-6: Ungewissheit (eigenes Foto)
Abbildung 2-7: Birkenwald (eigenes Foto)
Insgesamt gesehen sind die im Forschungslabor gewonnenen Ergebnisse zum Merkmal Mystery vergleichsweise eindeutig: Versuchspersonen, denen man Landschaftsbilder zur Bewertung vorgibt, bevorzugen mysteriöse Landschaften gegenüber solchen, die frei von jeder Rätselhaftigkeit sind (Kaplan, Kaplan & Brown, 1989). Das Ungewisse und Neue ist jedoch nur solange ein positiver Faktor, solange keine Gefahr droht.
Für die Umweltgestaltung bedeutet das, dass nicht nur mangelnde Kohärenz, Unlesbarkeit und eine übergroße Buntheit oder auch eine zu weitgehende Schlichtheit zu vermeiden sind, sondern auch eine lückenlose Gewissheit, bei der nichts mehr offen bleibt. Einige Bäume, die das Dahinter liegende verdecken, sorgen für Mystery, wohingegen ein undurchdringliches Dickicht des Guten zu viel wäre.
Kognitionen und Gefühle
Das Landschafts-Präferenz-Modell der Kaplans beleuchtet kognitive Prozesse; im Zentrum steht die Informationsverarbeitung, die durch verschiedene Umweltmerkmale erleichtert wird. Singh et al. (2008) haben diesen kognitiven Ansatz mit dem Argument erweitert, dass Landschaften nicht nur wert geschätzt werden, weil sie kohärent, lesbar, vielfältig und mysteriös sind, sondern auch weil sie positive Gefühle hervorrufen. Ihr Modell enthält neben den vier Umweltmerkmalen und den Komponenten Verstehen und Erkunden deshalb als weitere Einflussfaktoren die durch die Umwelt ausgelösten Gefühle.
Abbildung 2-8: Strukturmodell zur Bewertung von Landschaften (Singh et al., 2008, S. 342)
Auf Informationen, mit denen man nichts anfangen kann und die nur schwer zu verstehen und zu ergründen sind, wird gefühlsmäßig negativ reagiert, während es umgekehrt als angenehm erlebt wird, wenn sich Umwelten problemlos verstehen bzw. erkunden lassen. Die Gefühle erfassten Singh und Mitarbeiter mit folgenden Aussagen:
Diese Umgebung
• macht mich fröhlich
• empfinde ich als angenehm
• erfüllt mich mit Heiterkeit
• löst bei mir Irritationen aus
• macht mich ärgerlich
• ist eine Plage für mich.
Die Verhaltensabsicht wurde durch Angabe der Wahrscheinlichkeit erfasst, dass man die Landschaft weiter erkundet, wenn die Gelegenheit besteht.
Auf der Grundlage solcher Modelle können die Bewertungen von Entwürfen, Planungsvarianten und Gestaltungen erklärt werden. Zum Beispiel stellt man fest, dass ein Spielplatz kaum besucht wird. Die daraufhin durchgeführte Befragung von Kindern, Jugendlichen und Eltern ergibt, dass alle drei Gruppen gefühlsmäßig negativ auf den Platz reagieren. Dieser wird als zu trist, dunkel und anregungsarm und als zu schlicht empfunden. Damit ergeben sich Anhaltspunkte für dessen Verbesserung.
Ästhetisches Erleben
Orte und Landschaften werden auch aufgesucht, weil man sie schön findet. Mit der Frage, worauf der Eindruck von Schönheit beruht, hat sich nichtnur die empirische Forschung, sondern auch die Philosophie beschäftigt (vgl. Allesch, 2006). Aristoteles hat das Streben nach Erkenntnissen als ein Hauptmotiv angesehen. Er glaubte, dass die Menschen einen natürlichen Drang nach Erkenntnissen verspüren und dass sie deshalb auch Freude an den Sinneswahrnehmungen haben, über die sie Erkenntnisse gewinnen. Diese Sinneswahrnehmungen hat er als «aistheseis» bezeichnet. Ästhetik als sinnliche Wahrnehmung ist zweifellos eine sehr umfassende und globale Definition. Schon enger gefasst ist die Definition von Ästhetik als der sinnlichen Wahrnehmung von Schönheit, wobei sich zugleich die Frage stellt, welche Umweltmerkmale den Eindruck von Schönheit bewirken. Hier gibt es verschiedene Auffassungen.
Schönheit als objektives Phänomen
Eine Auffassung ist: Was schön ist, liegt im Objekt selbst. Man muss nur genau hinsehen, um die wesentlichen Merkmale zu erkennen, wobei eine gewisse Schulung hilfreich sein mag. Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Designer sind als Experten zu den geschulten Personen zu rechnen. Von ihnen wird erwartet, dass sie zutreffend beurteilen können, inwieweit etwas schön ist. Auf der Grundlage ihres ästhetischen Urteils entwerfen sie
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