Natur
Depressionen, Alpträume, Schlafstörungen, Phobien und Erschöpfung sind typische Stresssymptome. Das Erkennen, dass man macht- und hilflos ist, ist eine sekundäre Bewertung.
Was diese sekundäre Bewertung betrifft, haben Rochford & Blocker (1991) zwischen zwei Mustern der Stressbewältigung unterschieden (vgl. Abbildung 2-19 ):
• einer nach innen gerichteten gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit dem Ereignis und dessen Folgen
• einem handlungsorientierten Vorgehen mit dem Ziel, den Schaden zu begrenzen.
Menschen mit einer fatalistischen Haltung, die das Geschehen als unabwendbares Unglück ansehen, das über sie hereingebrochen ist, gehen mit dem Stress in anderer Weise um als diejenigen, die das Desaster für vermeidbar halten, sofern man nur vorausschauend handelt. Die einen lassen sich als Fatalisten, die anderen als Aktionsorientierte charakterisieren Die Fatalisten verhalten sich einer einseitigen Mensch-Natur-Beziehung entsprechend: Das Ereignis bricht über sie herein, die Natur ist die übermächtige Wirkgröße, sie sind hilflose Opfer. Die Aktionsorientierten sind dagegen nicht so schnell bereit, die Opferrolle anzunehmen. Sie gehen - implizit - von einer wechselseitigen Mensch-Natur-Beziehung aus, indemsie die Beherrschbarkeit extremer Naturereignisse als von den vorbeugenden Maßnahmen abhängend ansehen, die ergriffen werden, bevor das Desaster stattfindet.
Abbildung 2-19: Zusammenhang zwischen wahrgenommener Kontrollierbarkeit des Ereignisses und Handlungsbereitschaft (Gifford, 2007, S. 449)
Vorbeugende Maßnahmen beziehen sich nicht nur auf das individuelle Überleben, denn extreme Naturereignisse gefährden auch den Lebensraum, so dass zu der individuellen Bedrohung auch noch die erlittenen physischen, sozialen und ökonomischen Verluste und der Zusammenbruch der Familie, sozialer Netze, Organisationen und Einrichtungen dazu kommen (Bell et al., 1996).
Das Verhalten der Aktionsorientierten ist erheblich aktiver und interaktiver. Rochford & Blocker (1991), die die Phase analysierten, die auf die Flutkatastrophe in Oklahoma im Jahr 1986 folgte, schildern die Aktionsorientierten als Personen, die die Katastrophe für vermeidbar gehalten haben, und die, da eine Vorbeugung nicht erfolgt ist, zu Protestaktionen aufriefen, um die anderen zu informieren, dass zu wenig unternommen worden sei, um das Verhängnis abzuwehren.
Die Geschichte vom «Schimmelreiter» von Theodor Storm beschreibt den Sachverhalt des Vorbeugens in literarischer Form: Der wegen seiner geplanten Neuerungen wenig beliebte junge Deichgraf möchte künftigen Flutkatastrophen vorbeugen, indem er bessere, aber bislang unübliche Deiche bauen möchte. Die mächtige Flut ist ein natürliches Ereignis, aber der Mensch kann vorab Maßnahmen ergreifen, damit es gar nicht erst zu eine Katastrophe kommt oder das Geschehen weniger vernichtend ist.
Inzwischen ist man in der Lage, wirkungsvollere Deiche zu bauen. Doch mit Zunahme der Fähigkeit, effektivere Vorkehrungen zu treffen, stellt sich - wie in einem interaktiven Modell zu erwarten - ein neuer Effekt ein. Der «Schutzdamm-Effekt» (levee effect) besagt: Man wähnt sich in Sicherheit, nachdem professionelle Maßnahmen durchgeführt wurden, die einem möglichen Desaster vorbeugen (Bell et al., 1996). Man baut, ohne sich Sorgen zu machen, die Häuser und Siedlungen in dem Gebiet wieder auf, weil man jetzt ja höhere Deiche hat oder weil man nunmehr dank der bautechnischen Möglichkeiten die Gebäude hat erdbebensicher errichten können.
Das interaktive Modell besagt, dass extreme Naturereignisse erst dann zu Naturkatastrophen werden, wenn Menschen diese Ereignisse als unkontrollierbar erleben und sich dementsprechend passiv verhalten (Linneweber & Lantermann, 2010). Inwieweit aus diesen Ereignissen Katastrophen werden, ist also auch eine Frage der Einschätzung. Ob vorbeugende Maßnahmen durchgeführt werden, hängt von der Beurteilung des Ereignisses ab.Wer sein Haus nicht sichert, so dass es bei einem Sturm zusammenbricht, erlebt eine Katastrophe, wer sich auf solche Stürme einstellt oder ein stabiles Haus baut, kann sie meistens unbeschadet überstehen (vgl. Abbildung 2-20 ).
Erst die Exponiertheit macht aus einem extremen Naturereignis eine Katastrophe. Ein Hurrikan in der menschenleeren Wüste ist keine Naturkatastrophe, wohl aber ein Hurrikan in einer bewohnten Gegend (Bell et al., 1996).
Hier taucht sogleich die Frage auf, warum sich Menschen überhaupt in Gegenden
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