Natur
(Tuan, 1979). Für Kinder ist die Umwelt zum allergrößten Teil noch unbekannt und so gut wie nicht kontrollierbar, so dass Kinder etliches an Unheimlichkeit verkraften müssen.
Die Welt des Kindes weitet sich rapide aus, sobald das Kind mobil wird. Es kommt mit aufregenden Neuigkeiten in Berührung, die unter Umständen gefährlich sind (Tuan, 1979, S. 13).
Kinder haben Angst, allein gelassen zu werden, weil sie sich ungeschützt fühlen, sie haben Angst vor Dunkelheit und vor Tieren. Dunkelheit geht mit dem Gefühl der Isolation und mangelnder Orientierung einher. Die Angst verlassen zu werden, taucht als Thema in verschiedenen Märchen auf. Darin spielt meistens der Wald, der fremd, dunkel und sehr groß ist und in dem es hohe Bäume gibt, die Kindern noch viel größer erscheinen als Erwachsenen, eine bedeutende Rolle. Für das Kind kann der Wald eine chaotische Wildnis sein, in der man verloren gehen kann (Tuan, 1979).
Die Furcht von Kindern richtet sich auf unheimliche Lebewesen wie Hexen, mächtige Geister, Götter, Dämonen, Schlangen und wilde Tiere, die in der Natur zu finden sind, und auf Phänomene der unbelebten Natur wieGewitter. Der dunkle Wald wird zum Alptraum, das Gewitter löst Angst und Schrecken aus. Für Kinder, die nur die Stadt als Umwelt kennen, sind Naturumwelten besonders unheimlich (Tuan, 1978; 1979).
Im Rückblick erinnert man sich an die Ängste der Kindheit. Dem Dichter ist es möglich, diese Ängste so in Worte zu kleiden, dass sie unmittelbar nachvollziehbar sind (vgl. den Gedichtausschnitt auf S. 104).
Die übermächtige Natur
Extreme Ereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Erdrutsche, Überschwemmungen, Sturmfluten und Orkane führen die Kraft der Natur vor Augen. Schon ein gewöhnliches Gewitter entfaltet Kräfte, die der Mensch nicht kontrollieren kann. Er erlebt sich als machtlos (Peek & Mileti, 2002). Dies gilt vor allem für extreme Naturereignisse. Der Mensch kann es nicht verhindern, dass ein Vulkan durch die Staubmengen, die er in die Luft schleudert, den Flugverkehr zum Erliegen bringt, oder dass ein Erdbeben eine Stadt in ein Trümmerfeld verwandelt (vgl. Abbildung 2-17 ).
Abbildung 2-17: Folgen eines Erdbebens (eigenes Foto)
Die weltweiten medialen Meldungen solcher Ereignisse erhöhen mental die wahrgenommene Wucht der Naturkräfte noch zusätzlich. Auch wer räumlich weit davon entfernt ist, wird berührt.
Abbildung 2-18: Präsenz der Medien bei Naturkatastrophen (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1.3.2010)
Der Bericht über die Sintflut in der Bibel, die fast die gesamte Schöpfung vernichtet hat, kann als sehr erfolgreiche mediale Verbreitung eines extremen Naturereignisses angesehen werden.
Als charakteristisches Merkmal von Naturkatastrophen wurde wiederholt deren Unkontrollierbarkeit herausgestellt (Bell et al, 1996; Rochford & Blocker, 1991; Moore & Moore, 1996). Diese rührt zum einen von den gewaltigen Naturkräften her, die der Mensch nicht in den Griff bekommen kann, zum andern liegt es an der Nicht-Vorhersagbarkeit.
Es sind gefährliche Ereignisse, die außerhalb des Bereichs der üblichen individuellen Erfahrungen liegen, die plötzlich und unerwartet mit extremer Kraft in Erscheinung treten und sichtbare Auswirkungen haben wie die Zerstörung des eigenen Hauses sowie der gesamten Stadt (Moore & Moore, 1996, S. 134).
Jahreszeitlich bedingte Naturphänomene sind demgegenüber voraussagbar, so dass man sich davor schützen oder sich damit arrangieren kann. Im Gebirge drohen im Winter Lawinen, die die Bewohner im Tal in ihrer Existenz bedrohen, im Sommer ist mit Hagel und Überschwemmungen zu rechnen. Auf solche wiederkehrenden und deshalb auch voraussagbaren Ereignisse kann man sich einstellen und entsprechende Vorkehrungen treffen.
Extreme Naturereignisse, denen man sich unerwartet gegenüber sieht, und denen man sich ausgeliefert fühlt, lösen Stress aus. Stress ist die Reaktion auf wahrgenommene Herausforderungen und Gefährdungen (Schönpflug 1996), deren Bedrohlichkeit eingeschätzt wird. Auf diese primäre Bewertung folgt eine Einschätzung, welche Möglichkeiten verfügbar sind, um diese Bedrohung abzuwehren (sekundäre Bewertung). Ergibt die primäre Bewertung, dass die Situation bedrohlich ist, und die sekundäre Bewertung, dass das Ausmaß der Bedrohung die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigt, setzt sich der Stress fort. Panik, Angstzustände, Apathie, sozialer Rückzug, starke Erregung, negative Gestimmtheit,
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