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Natur

Natur

Titel: Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Flade
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aufhalten und ansiedeln, in denen die übermächtige Natur häufiger zu spüren ist als andernorts. Analysen zeigen, dass wider besseren Wissens in Regionen gebaut wird, in denen solche extremen Ereignisse vergleichsweise oft auftreten. Ein vorrangiger Grund, warum dennoch in solchen Gebieten gesiedelt wird, ist die Sicherung der Existenz. Dabei sind sowohl Push- als auch Pull-Faktoren wirksam. Man nutzt den fruchtbaren Boden, den man in dem Gebiet vorfindet, oder man weicht einem hohen Bevölkerungsdruck aus, wie es die ersten Siedler auf der Insel Pellworm gemacht haben (vgl. Kapitel 3.2 ).
    Ein Großteil der Schäden durch Hurrikans resultiert aus einer inadäquaten Bauweise. Losgerissene Teile verursachen massive Schäden. Menschen sind also mehr oder weniger zugleich auch Täter, weil sie sich auf die zu erwartenden Folgen nicht oder nicht ausreichend einstellen oder das Ereignis sogar mit verursachen (Linneweber & Lantermann, 2010).

    Abbildung 2-20: Vorbeugende Maßnahmen (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Volker Reiche)
    Extreme Naturereignisse unterscheiden sich nicht nur in ihrer Art, ihrem Ausmaß und ihrer räumlichen Erstreckung, sondern auch in ihrem zeitlichen Verlauf und ihrer Dauer (Linneweber & Lantermann, 2010). Erdbeben, Stürme und Hurrikane, Hochwasser und Überschwemmungen, Sturmfluten, Erdrutsche und Vulkanausbrüche sind meistens von vergleichsweise kurzer Dauer. Die Zeitachse lässt sich grob unterteilen in die Phase vor, während und nach dem Ereignis. Als «low point» wurde der Tiefpunkt nach dem Desaster bezeichnet (Gifford, 2007).
    Die Erforschung der psychologischen und sozialen Auswirkungen von Naturkatastrophen wird dadurch erschwert, dass Ereignisse dieser Art statistisch gesehen selten sind. Die meisten Untersuchungen sind aus diesem Grunde Fallstudien, die sich jeweils mit einem einzelnen sehr spezifischen Ereignis befassen, was eine Verallgemeinerung der Ergebnisse stark erschwert. Hinzukommt, dass die Forscher nicht gleich zur Stelle sind und, falls sie es wären, gar nicht zum Zuge kämen, weil in solchen extremen Situationen physische Hilfsmaßnahmen vorrangig sind. Die Untersuchungen können erst stattfinden, nachdem das Ereignis schon eingetreten ist (Bell et al., 1996). Man muss deshalb andere methodische Wege einschlagen. Dies sei am Beispiel einer Untersuchung von Baum et al. (1992) demonstriert. Darin wurde eine Zufallsstichprobe von Bewohnern befragt, die sich aus drei Gruppen zusammensetzte. Die erste Gruppe wohnte rund eine Meile von einer Müllkippe entfernt, auf der auch giftige Abfälle landeten, die zweite wohnte in einem Gebiet, das überschwemmt worden war, so dass die Häuser unter Wasser gestanden hatten, die dritte Gruppe diente als Vergleichsgruppe, die weder in dieser noch in jener Weise beeinträchtigt gewesen war. Neun Monate nach der Flutkatastrophe sowie der Bekanntmachung, dass die Müllkippe giftige Substanzen enthält, wurden bei den an der Untersuchung Beteiligen verschiedene Tests durchgeführt, um Stresssymptome und Gefühle der Hilflosigkeit zu erfassen. Das Ergebnis war eindeutig: die erste Gruppe wies signifikant mehr Stresssymptome auf und fühlte sich hilfloser als die zweite und die Vergleichsgruppe. Bemerkenswerterweise war zwischen der zweiten und der Vergleichsgruppe weder ein Unterschied im Stressniveau noch im Ausmaß der berichteten Hilflosigkeit festzustellen. Eine Flutkatastrophe - auch wenn sie ungeheuren Schaden anrichtet - führt im Unterschied zu einer problematischen, in der Nähe der Wohnung gelegenen Müllkippe nicht zu chronischem Stress und auch nicht zu dem Gefühl, ausgeliefert zu sein. Der Stress nach einer Naturkatastrophe ist offensichtlich abbaubar.
    Hier trifft man jedoch auf ausgeprägte individuelle Unterschiede, wie Faupel & Styles (1993) festgestellt haben. Einige Menschen haben erhebliche Schwierigkeiten, den Stress zu bewältigen, vor allem diejenigen mit psychischen Problemen. Einige sind fast stressfrei. Eine Erklärung ist, dass von Naturkatastrophen immer viele Menschen betroffen sind, so dass es auch ein gemeinschaftliches Betroffensein gibt. Gerade in extremen Situationen trifft man auf vermehrte Gemeinschaftlichkeit und Hilfsbereitschaft. Ein dadurch hervorgerufenes Gemeinschaftsgefühl sowie positive soziale Erfahrungen wirken als «Stress-Puffer».
    Des Weiteren untersuchten Faupel & Styles, inwieweit sich das Stressniveau reduzieren lässt, wenn man nicht unvorbereitet und demzufolge wehr- und

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