Natur
sein, das heißt es sind Alleen erforderlich.
Dass das Erscheinungsbild der Umgebung der Straße nicht unwichtig ist, hatte schon Alberti, ein italienischer Baumeister aus der Zeit der Renaissance, erkannt, der deshalb empfohlen hatte, Straßen mit einer angenehmen Szenerie zu bereichern. Parsons et al. (1998) haben Alberti als Erfinder der «roadside aesthetics» (Straßenraumästhetik) bezeichnet. Parsons und Mitarbeiter gingen in ihrer Untersuchung davon aus, dass schöne Anblicke während des Unterwegsseins das Wohlbefinden erhöhen und sich auf die Lebensqualität und Gesundheit derjenigen positiv auswirken, die viel unterwegs sind. Der Anblick der schönen Naturlandschaft gehe, wie sie meinen, mit Gefühlen der Entspannung einher. Man fährt langsamer, während man die Natur betrachtet, was weniger mental ermüdend ist als schnelles Fahren, das eine hohe Konzentration erfordert. Autofahrer, die auf landschaftlich schönen Straßen unterwegs sind, sind entspannter und haben weniger mit Ermüdung zu kämpfen, was sich positiv auf die Verkehrssicherheit auswirkt.
Die Hypothese, dass der Anblick von Natur einen Erhol- und zugleich auch noch einen Stressimmunisierungseffekt hat, wurde in einer Untersuchung mit studentischen Versuchspersonen bestätigt. Der Versuchsplan sah drei Phasen vor: Zu Beginn wurde Stress erzeugt, dann folgte ein Videofilm mit einer Fahrt durch eine von vier verschiedenen Umgebungen, danach kam eine zweite Stressphase, die dazu diente, den immunisierenden Effekt von Natur zu ermitteln. Als Stressindikatoren dienten physiologische Messungen wie der Blutdruck, der Hautwiderstand und die Herzfrequenz. Zwei der Umwelten, durch die die virtuelle Fahrt ging, ein lichter Wald und ein Golfplatz auf einer Seite, enthielten grüne Natur, die zwei anderen waren städtische Umgebungen. Das zweifellos wegen der vielen Messungen aufwändige Experiment ergab, dass die Fahrten durch Umgebungen mit grüner Natur den Stressabbau beschleunigen und auch gegen weiteren Stress immunisieren. Interessanterweise war es die Strecke an einem Golfplatz entlang, bei der die Effekte am deutlichsten zutage traten. Als mögliche Erklärungen, warum gerade dieser Umwelttyp so wirkungsvoll ist und nicht der lichte Wald, führten die Forscher die (regionaltypische)Vertrautheit mit Golfplatzumgebungen und die Prospect-Refuge Theorie an. Die grünen leicht hügeligen Golfplätze erlauben einen weiten Ausblick, die verstreuten Baumgruppen bieten Möglichkeiten, sich zu verbergen. Das Ergebnis liefert Hinweise, welche Landschaften am ehesten zu einem entspannten Fahrverhalten beitragen können.
Den Erholeffekt von Bäumen am Straßenrand haben Cackowski & Nasar (2003) nachgewiesen. In dem Experiment wurden drei unterschiedliche Videostreifen von Straßen mit und ohne Vegetation an den Rändern vorgeführt. Anschließend bekamen die Versuchspersonen unlösbare Anagramme vorgelegt. Die Zeit, die sie dieser Aufgabe widmeten, diente als Maß für ihre Frustrationstoleranz. Die Gruppe, die Bilder von Straßen mit Bäumen gesehen hatte, war ausdauernder, also offensichtlich toleranter.
Der Erholeffekt lässt sich mit der Aufmerksamkeitserholungstheorie erklären: Die weite Landschaft und die hohen Bäume am Straßenrand ziehen die unmittelbare Aufmerksamkeit auf sich. Die mentale Ermüdung infolge der Anstrengung, die willentliche Aufmerksamkeit beim Blicken auf das monotone Band der Straße aufrecht zu erhalten, wird abgebaut. Der Erholeffekt ist nicht nur individuell vorteilhaft, sondern hat auch noch eine überindividuelle Wirkung: Der Autofahrer, der sich wohl und angeregt fühlt, macht weniger Fehler, wodurch die Verkehrssicherheit insgesamt zunimmt.
Auch für den Radfahrer ist das Erscheinungsbild der Umgebung nicht unwichtig. Beim Radfahren kann man mehrere Tätigkeiten zugleich ausüben: sich sportlich betätigen, die Natur betrachten und sich dabei anregen lassen und einen Zielort erreichen. Wie eine empirische Untersuchung zum Thema der Verkehrsmittelnutzung ergeben hat, ist Radfahrern Bewegung zu haben und auf anregenden Wegen unterwegs zu sein, signifikant wichtiger als Autofahrern.
Abbildung 3-27: Wichtige Umweltmerkmale für Rad- und Autofahrer (Flade et al., 2002, S. 88)
Weitere Unterschiede sind, dass Radfahrern mehr an einer umweltschonenden Mobilität, Autofahrern mehr an Bequemlichkeit und Zeit sparen gelegen ist. Hier ist vor allem hervorzuheben, dass sich die Nutzung des Fahrrads anstelle des Pkw sehr
Weitere Kostenlose Bücher