Naturgeschichte(n)
letzten halben Jahrtausend vor der Ausrottung.
Die schwedischen Biber, die in den ersten Jahren nach der Ankunft in Bayern Wintervorräte anlegten, wie sie eben in Schweden benötigt werden, merkten, dass der bayerische Winter viel milder ist – und hörten bald auf, sich unnötige Arbeit zu machen. Sie leben in Naturschutzgebieten und im Kulturland, wo immer man sie leben lässt. Sogar an der Isar mitten in München gab es eine bewohnte Biberburg, bis ein sehr starkes Hochwasser sie fortriss.
Elbebiber wurden aber durchaus auch zu DDR-Zeiten an Seen im Land angesiedelt, obwohl sie » Flussbiber« waren; und das ebenfalls erfolgreich. Und sie bekamen Kontakt zu den polnischen Bibern, weil sie sich ausbreiteten; weil sie es schafften, über die Wasserscheide ins Donaustromsystem zu gelangen, kamen sie auch mit den bayrisch-schwedischen Bibern in Berührung.
Über das Oberrheingebiet werden irgendwann mitteleuropäisch gewordene Biber mit ihren Artgenossen an der Rhone zusammentreffen und selbst entscheiden, ob sie sich riechen können oder nicht. Im Hintergrund geht es aber um mehr, um viel mehr. Wo Lebewesen vorkommen, wirkt die natürliche Auslese auf sie ein. Diese von Charles Darwin beschriebene Selektion passt die Organismen an ihre Umwelt an. Oder besser ausgedrückt: Die Lebewesen stellen sich auf die Lebensbedingungen ihrer Umwelt ein. Für manche bedeutet dies einen massiven Zwang: Stirb oder ändere dich! Für andere hingegen ergibt die neue Umwelt neue Möglichkeiten.
Tieren, wie den Säugetieren und den Vögeln, die mit ihren geregelt hohen Körpertemperaturen ein hohes Maß an Unabhängigkeit von der Umwelt erlangt haben, bietet eine neue Umwelt meist viel mehr neue Möglichkeiten als Zwänge. Ein Biber ist ein sehr kompakt gebautes, großes Tier. Das wird im nächsten Kapitel näher ausgeführt, weil seine Lebensweise wirklich spannend ist. Er kommt mit äußeren Lebensbedingungen zurecht, die von der Kälte des Nordens in Skandinavien und Russland bis zur Sommerhitze am Rand des Mittelmeeres, von Tieflandsflüssen bis in Hochgebirgstäler reichen. Daraus geht das hohe Maß an Autonomie der Umwelt gegenüber hervor. Die Reaktionen auf die örtlich unterschiedlichen Lebensbedingungen können sich in Variationen der Körpermasse, aber auch in der Wahl der Nahrung zeigen. Aber darauf kommen wir im nächsten Kapitel zurück.
Das war auch der Fall bei den Bisamratten, die 1905 vom böhmischen Fürsten Colloredo-Mansfeld als Mitbringsel von einem Jagdausflug nach Alaska auf seinem Gut Doberschisch ausgesetzt wurden. Die drei Weibchen und zwei Männchen vermehrten sich so gut, dass ihre Nachkommen innerhalb weniger Jahrzehnte einen Großteil Europas besiedelten. Dabei kam eine ganz ähnliche geografische Verteilung der Körpergrößen zustande, wie sie auch in Nordamerika in Abhängigkeit von der Dauer des Winters festzustellen ist.
In nur einem halben Jahrhundert passte die natürliche Selektion die Bisamratte an die europäischen Bedingungen an. Sie wurde ein erfolgreicher Neubürger, lange Zeit sehr heftig verfolgt, was ihre Ausbreitung nicht behinderte, sondern nur noch beschleunigte, und verursachte letztendlich auch nicht mehr Schäden als die heimische Schermaus. In der Rückschau ist zumindest fraglich, ob die Bisamrattenbekämpfung wirklich etwas gebracht hat, außer Felle für Wintermäntel. Und Arbeitsplätze beim staatlichen Bekämpfungsdienst dazu.
Der clevere Biber und die Riesenwühlmaus
Warum lieben wir die Biber?
Naturschützer klagen über den Artenrückgang, über die Misserfolge und dass all ihren Bemühungen zum Trotz alles immer schlechter wird. Immer mehr Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Haben denn 40 Jahre Naturschutz wirklich so gut wie nichts gebracht? Schließlich gibt es doch Erfolge, ganz spektakuläre sogar, wie die Rückkehr des Bibers.
Der Biber hatte es natürlich viel leichter als Bären oder Wölfe, von einer breiten Öffentlichkeit akzeptiert und willkommen geheißen zu werden. Was ist das Geheimnis der Biber? Verursacht er nicht durch das Fällen von Bäumen und das Aufstauen von Bächen, Gräben und kleinen Flüssen jede Menge Schäden? Sogar Zuckerrüben frisst er den Bauern weg!
Biber aber hatten von Anfang an ein gutes Image. Sie sind » fleißig«, leben in Familien, tragen ein kuscheliges Fell und passen mit ihrem netten, rundlichen Gesichtchen so richtig ins Kindchenschema. Dass sie sich beim Aufrichten auf ihren platten Schwanz abstützen müssen,
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