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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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lange. Ich weiß nicht, ob es noch andere aus meinem Volk gibt – falls ich überhaupt zu einem einzigen gehöre, was ich bezweifle. Denn solange ich unterwegs bin, traf ich niemanden wie mich. Vermutlich bin ich ein Bastard mit derart gemischtem Blut, dass ich mich nur allgemein als Angehöriger der Alten Völker bezeichnen kann. Meine Eltern kenne ich nicht, ich musste mich früh allein durchs Leben schlagen und lernte so allerlei. Und natürlich eignete ich mir auch Schwächen an – eine davon ist das Glücksspiel.« Diesmal grinste er verlegen. »Ich verlor eine gewaltige Summe, und so nahm der Gewinner mich selbst als Bezahlung und verkauft mich nun in Nuramar, der wunderbaren Seerose, die ich als freier Mann gern besucht habe. Kapitän Horwik übernahm freundlicherweise meine Passage, er nimmt so ziemlich alles an Bord, was gewinnversprechend ist, denn vom Fischfang allein kann er bei seiner Spielsucht nämlich nicht leben. Immerhin verbindet uns das ein bisschen. Er hat Mitleid mit mir, und ich kann mich über die Behandlung hier nicht beklagen, nur die Unterkunft lässt zu wünschen übrig. Vor allem, wenn es regnet.«
    Lurdèa konnte nicht anders, sie musste lachen. Die gute Laune und Unbekümmertheit des Mannes waren ansteckend und halfen ihr aus der Verzweiflung. »Aber konntest du denn keinen anderen Vorschlag machen?«, fragte sie. »Ich meine – bist du denn so viel wert, wie du verspielt hast?«
    »Ich muss doch sehr bitten!«, rief er empört, doch seine Augen blitzten belustigt.
    »Ich halte es für wenig realistisch«, fuhr sie fort. Gewiss, Berenvil stand dem Augenschein nach in der Blüte seiner Jahre, er war ansehnlich und kräftig gebaut. Aber wenn er nicht etwas ganz Besonderes zu bieten hatte, konnte der Preis nicht so hoch sein.
    »Nun ... also, es ging um eine Wette«, gestand er kleinlaut. »Und es ist ein ziemlich böser Streich, der mir da gespielt wurde. Aber ich komme da wieder raus! Habe schon in ganz anderen Schwierigkeiten gesteckt.«
    »Kann man von diesem Schiff entkommen?«, fragte Lurdèa angespannt.
    »Ich muss dich enttäuschen: Nein«, antwortete Berenvil. »Ich habe alles ausprobiert. Ausbrechen, bestechen, erpressen und dergleichen mehr. Aber Horwik ist ein erfahrener alter Fuchs, schließlich ist er noch nie aufgebracht worden.«
    Lurdèa blickte sehnsüchtig aufs Meer hinaus. So nah und doch unerreichbar fern. »Aufgebracht?«, fragte sie abwesend. Eigentlich wolle sie die Unterhaltung nicht mehr weiterführen. Das kurze Aufflackern ihrer natürlichen Heiterkeit war vorbei, als die Aussichtslosigkeit ihrer Lage wieder in ihre Gedanken sickerte. Da nutzte auch keine launige Geschichte etwas, mochte sie wahr sein oder nicht.
    »Nun, Sklavenhandel ist in Nerovia streng verboten«, erklärte ihr Leidensgefährte. »Sklaven besitz allerdings nicht. Seltsames Gesetz, ich weiß, aber ich habe es ja auch nicht gemacht. Du musst dazu wissen, dass Nerovia in sechs Fürstentümer zersplittert ist, die zur Einhaltung des allgemeinen Friedens einen gemeinsamen Kodex verfasst haben, an den sich auch die Baronien und Burgherren halten müssen. Dadurch kommen merkwürdige Gesetzgebungen zustande. Jedenfalls findet deshalb der Sklavenmarkt auf dem freien Meer statt, und von dort aus werden die Sklaven wieder aufs Festland verschifft und an ihre Bestimmungsorte gebracht.«
    »Da kann ja dann alles mögliche passieren«, sinnierte Lurdèa. Sie war völlig hin- und hergerissen zwischen tiefer Niedergeschlagenheit und zaghafter Hoffnung. Vor allem war sie von den vielen Eindrücken überwältigt, und dem Kontakt zu Fremdvölkern nach ihrer langen Isolation.
    Berenvil hob eine dunkle Braue. »Allerdings, liebe Freundin aus dem Meer. Das denke ich auch.«
    Lurdèa wandte sich ab und signalisierte Berenvil damit, dass sie sich nicht weiter unterhalten wollte. Sie musste nachdenken.
    Irgendwann, als es dunkel wurde, fing sie leise an zu weinen.

    Die nächsten beiden Tage auf See lernte Lurdèa eine Menge über das Leben der Landbewohner und viele neue Worte. Allmählich gewöhnte sie sich auch an die Betonungen, und mit dem Essen kam sie ebenfalls zurecht. Wie es aussah, waren die Nauraka zumindest noch anpassungsfähig, auch wenn sie das Meer schon lange nicht mehr verlassen hatten.
    Zweimal hatte Palong sie aus dem Käfig geholt, damit sie das Gehen lernte. Dabei ließ er sie allerdings nicht aus den Augen, und sie durfte sich nur in der Mitte des Decks, umgeben von einem undurchdringlichen

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