Navy SEALS - Tyler, S: Navy SEALS
zugebracht und sich vom Radio und dem Verkehr ablenken lassen.
Jetzt, der Abend war schon weit fortgeschritten, fühlte er sich endlich entspannt genug, um nach Hause zu gehen. Trotzdem wollte er den Bericht am liebsten zur Seite schieben und sich nicht damit befassen.
Aber das war noch nie seine Art gewesen.
Er hob den Umschlag auf und ließ den Blick über den ihm bekannten Bericht huschen, während er zur Dusche ging, um sich den nasskalten Tag vom Leib zu spülen. Aber was er in diesem Bericht las – oder vielmehr, was er eben nicht darin las – , den er vor sechs Jahren und zwei Tagen nach seiner Begegnung mit Aaron Smith selbst geschrieben hatte, ließ Nick wie angewurzelt stehen bleiben, das Hemd über dem Arm, die Hose schon aufgeknöpft.
Dieser Einsatzbericht war hundertprozentig manipuliert worden. Nicht augenfällig, nichts war einfach durchgestrichen worden. Nein, die Änderungen waren feinerer Art. Der Bericht war neu getippt worden, aber so, dass Aaron Smith mit keinem Wort mehr darin erwähnt wurde.
Der Bericht stellte Nick als Helden dar, der sich selbst gerettet hatte, genau wie Aaron es Kaylee erzählt hatte.
Und seine eigenhändige Unterschrift stand unverändert am Fuß der Seite.
Scheiße.
Nick starrte auf den Bericht, bis die Worte verschwammen, bis seine Erinnerungen klarer wurden und er sehen konnte, wovon er Kaylee nichts gesagt hatte – er sah die toten Männer hinter Aaron am Boden liegen und den leblosen Ausdruck in Aarons Augen.
Vielleicht hatte nichts von alldem viel zu bedeuten, vielleicht wirkte das alles nur größer im Schatten von Deidres Tod und der andauernden Suche nach Cutter.
Aber vielleicht war es auch etwas, auf das es sich einen genaueren Blick zu werfen lohnte. Er musste sich die Liste mit den Namen der anderen Männer von Kaylee besorgen und sich mit ihnen in Verbindung setzen. Er musste Kaylee fragen, was die anderen ihr im Einzelnen über Aaron erzählt hatten, wo genau sie ihm begegnet waren. Alles.
Als es zweimal laut an die Tür klopfte, zuckte Nick erst zusammen und dann fluchte er, während er sich hastig wieder anzogund den Bericht beiseitelegte. Wenn er mit seinen Brüdern zu Hause war, konnte er es sich erlauben, nachlässig zu sein – aber wenn er allein zu Hause war, musste er auf der Hut bleiben.
Wovor, das wusste er nicht genau, bis er zum Fenster hinausschaute und sein Blick auf einen großen schwarzen Wagen mit New Yorker Kennzeichen fiel, der in der Auffahrt stand. Ihm stockte der Atem, und eine halbe Sekunde lang erwog er, nicht an die Tür zu gehen.
Doch stattdessen öffnete er sie, ohne auch nur durch den Spion zu schauen, und baute sich vor dem Besucher auf.
Vor der Tür stand der Mann, den Nick sich nie wieder Vater zu nennen geschworen hatte. Allein. Nicht einmal ein Chauffeur saß im Wagen, wie ein Blick durch das halb heruntergelassene Fenster auf der Fahrerseite bewies.
»Darf ich reinkommen, Cutter?«
Nick trat beiseite und ließ den Mann in das Haus, das ihn in all den Jahren vor Unheil bewahrt hatte. Er sah, wie Walter steifen Schrittes über die Schwelle trat, als wisse er, dass seine Gegenwart die schützende Wirkung dieses Hauses aufhob.
Nick schloss die Tür hinter ihm und räusperte sich, bevor er sprach. »Es tut mir leid um Deidre.«
»Sie hat nicht nach dir gefragt, bevor sie starb«, sagte Walter, und für eine Sekunde fühlte sich Nick von der bekannten Rechts-Links-Kombination getroffen, auf die seine leibliche Familie sich so gut verstand. Als Walter fortfuhr, verlor der Treffer jedoch etwas von seiner Härte. »Ich wünschte, sie hätte es getan, um unser beider willen.«
»Warum?« Diesmal gelang es Nick nicht, die Verbitterung aus seiner Stimme zu verdrängen.
»Ich verstehe deine Wut. Aber sie sollte sich gegen deine Mutter richten, nicht gegen mich. Sie hat uns beide angelogen.«
»Ich weiß, dass ich Billys Sohn bin. Das wusste ich schon, bevor ich dein Haus endgültig verlassen habe.« Es war das erste Mal, dass er diese Worte laut zu jemandem sagte, obgleich sie in seinem Kopf waren, solange er zurückdenken konnte.
Es entstand eine Pause, während er auf Walters Bestätigung wartete. »Nein, du bist nicht der Sohn meines Bruders, Cutter. Du bist meiner. Mein leiblicher Sohn.«
Einen Moment schien es Nick, als drücke ihm jemand die Kehle zu. Als er endlich wieder atmen konnte, entwich die Luft mit einem langen, heiseren Pfeifen aus den Lungen.
In all dieser Zeit … in all dieser Zeit hatte er zu
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