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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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die Suche aufgeben. Solange kann ich nicht warten.
    Man würde keine Zeit damit verschwenden, ihm hinterherzujagen; dafür wusste er zu wenig, was er für Gold ausplaudern könnte, vom Standort der geheimen Festung abgesehen. Man würde die Zugänge blockieren und verstärkt Wache halten. Ihn zu verfolgen, um ihn an einem solchen Verrat zu hindern, wäre sinnlos. Doch jeder Oshanta, der sein Gesicht kannte, würde von nun an nicht zögern, ihn anzugreifen. Bero und Jarne mussten sich nicht sorgen, bestraft zu werden, im Gegensatz zu den Jungen wurde ein erwachsener Oshanta, der in die Bruderschaft aufgenommen worden war, kaum jemals für Versagen gerichtet. Der Tod eines Opfers war immer mit eingeplant, und für Iyens Handeln konnte man sie nicht zur Rechenschaft ziehen. Dass diese beiden besonders eifrig nach ihm Ausschau halten würden, stand dabei allerdings außer Frage.
    Iyen beschloss, dem Jungen allerhöchstens zwei Stunden Ruhe zuzugestehen, sie mussten endlich vorwärtskommen! Es war stets ein Fehler, so lange an einem Ort zu verbleiben. Und wenn er ihn bis nach Vagan tragen musste, er würde ihn nach Hause bringen und hoffen, dass die Oshanta kein weiteres Interesse an ihm haben würden. Dass ihre Feinde sie nicht aufspürten. Dass er ihn bis dahin vor seinen inneren Dämonen schützen konnte. Vor seiner Gier …
    „Es wird Zeit, allerhöchste Zeit, ihn loszuwerden“, murmelte er unterdrückt vor sich hin, während er am Flussufer kniend geschickt einen Fisch mit der bloßen Hand fing, ohne dabei die Umgebung nur einen Moment aus dem Sinn zu verlieren. Höchste Zeit …
     

Hör nur, wie er quiekt! Wie ein Schwein.
    Beeil dich, ich will auch noch einmal.
    Geduld, er zappelt gerade so schön …
    „Wach auf.“
    Rouven schrie vor Schmerz und schierem Entsetzen. Es konnte, es durfte nicht geschehen, so etwas konnte unmöglich wahrhaftig sein, er weigerte sich zu glauben …
    „DAS IST EIN TRAUM, WACH AUF!“
    Iyen, der gerade noch teilnahmslos am Feuer gesessen hatte, wandte sich plötzlich um und sah ihn ernst an.
    „DAS IST EIN TRAUM, WACH AUF!“, wiederholte er –
    und Rouven gehorchte. Es dauerte einen Moment, bis er sich orientiert hatte. Zutiefst beschämt erinnerte er sich, was zuvor geschehen war. Wie hatte er sich nur so dermaßen gehen lassen können? Iyen musste ihn für einen Schwächling halten, so wie er zusammengebrochen war, nur weil er einen Moment lang allein gelassen wurde. Ich habe geheult wie ein Säugling … Wahrscheinlich hält er mich sowieso für ein Kind. Ich sollte dankbar sein, dass er so etwas wie Beschützerinstinkt besitzt.
    Dabei wollte er gar nicht beschützt werden. Zumindest nicht ausschließlich. Iyen war ein Oshanta, ja, aber außerdem ein in jeglicher Hinsicht überwältigender Mann. Rouven empfand nicht mehr nur Geborgenheit in diesen starken Armen – was ihn ebenfalls beschämte. Wie konnte jemand, dem gerade erst so etwas widerfahren war, Verlangen spüren? Wenn es wirklich Verlangen war, Rouven wusste es einfach nicht. Nur, dass er Iyen vollkommen vertraute. Er erhob sich mühsam. Der Schmerz rollte wie eine Welle über ihn, ertränkte ihn fast. Es dauerte ewig, bis er in der Lage war, aufrecht zu stehen und auch stehen zu bleiben, und keine bunten Flecken mehr vor seinen Augen tanzten. Wärme breitete sich aus und drängte den Schmerz zurück. Rouven atmete tief durch und richtete sich auf. Iyen saß mit dem Rücken zu ihm, doch er bezweifelte nicht, dass der Oshanta ganz genau wusste, dass Rouven nun wieder auf eigenen Füßen stehen wollte und hatte wohl absichtlich nicht eingegriffen.
    „Ich gehe zum Fluss“, verkündete Rouven entschlossen. Er war hungrig und durstig, zuerst allerdings wollte er sich waschen. Er hatte das Gefühl, am ganzen Körper zu kleben, beschmutzt von Jarnes und Beros Berührungen. Iyen blickte über die Schulter, sein Gesicht war wieder verschlossen und beherrscht. Eben noch hatte er so besorgt ausgesehen, so … liebevoll. Rouven rechnete damit, dass Iyen darauf bestehen würde, ihn zu begleiten, nachdem er sich gerade erst vollständig vor ihm entwürdigt hatte; aber der Oshanta nickte nur stumm und wandte sich dann wieder ab.
    Gut so, dachte Rouven. Er musste wissen, ob er allein zurechtkam! Mit wild klopfendem Herzen wagte sich Rouven voran. Noch immer schmerzte jeder Schritt kaum erträglich, und sobald er Iyen nicht mehr sehen konnte, kehrte die Angst zurück. Rouven biss die Zähne zusammen und ging den Weg weiter, den

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