Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
Vom Netzwerk:
einem Leben in Angst zu verdammen. Der Funke war die Hoffnung, die er nicht aufgeben wollte.
    „Es wird wieder anders werden mit mir, nicht wahr?“, flüsterte Rouven dicht an seinem Hals. „Sag mir, dass ich nicht so bleiben werde! Ich kann so nicht leben, ich darf nicht wahnsinnig werden, sobald ich allein bin! Mein Vater würde mich in einen Tempel abschieben. Ich wäre endgültig nutzlos für ihn.“
    „Es liegt an dir, Rouven. Wenn du die Angst überwinden willst, wirst du es schaffen, aber das braucht Geduld und Zeit. Noch nicht einmal deine körperlichen Wunden sind verheilt.“
    „Wohin bringst du mich eigentlich?“, fragte er plötzlich mit verlorener Stimme. „Ein Teil von mir vertraut dir blind, denn du bist so gut zu mir. Ein anderer Teil beharrt darauf, dass es keinen guten Oshanta gibt und dass du mich lediglich gerettet hast, um den Auftrag ausführen zu können.“
    Iyen sah auf ihn herab und begegnete dem tränenverschleierten Blick. Angst, Misstrauen, Zutrauen, Schmerz – Iyen versank in den grünen Tiefen, in denen sich so viele Emotionen gleichzeitig spiegelten.
    „Selbst, wenn ich wollte, könnte ich den Auftrag nicht mehr erfüllen, sogar mit einem Pferd und ohne Rast würde ich dich nicht mehr rechtzeitig zum Übergabepunkt bringen können. Du hättest spätestens am zweiten Tag nach Vollmond im Nasha-Tal ankommen müssen. Aber ich wollte gar nicht dorthin. Ich bringe dich nach Hause, Prinz von Kyarvit.“ Langsam wich das Misstrauen aus Rouvens Blick, wurde von etwas verdrängt, das Iyen nicht deuten konnte. Einige Tränen rannen über sein Gesicht, er lehnte sich wieder bei Iyen an und sagte mit geschlossenen Augen: „Du hast mehr zu verlieren als ich. Du solltest mich vielleicht doch ausliefern und versuchen Frieden mit deiner Bruderschaft schließen, dort, wo du eine Aufgabe hattest. Ich bin es nicht wert, dass du für mich zum Verräter geworden bist.“
    „Dein Geist ist überschattet, du redest wirr“, erwiderte Iyen duldsam. „Deine Familie, die dich liebt, wartet auf dich.“
    „Ich zweifle nicht an der Liebe meiner Geschwister, und auch mein Vater wird noch etwas übrig haben, was er nicht an die anderen vierundzwanzig verteilt hat ... Irgendwas, er hat sich nie für mich interessiert. Ich zweifle lediglich an meinem Nutzen.“ Seine Stimme wurde immer leiser, er schien im Halbschlaf zu sprechen. „Ich bin sein siebzehnter Sohn, es müsste der Himmel abstürzen, bevor ich König werde. Mein einziger Nutzen besteht darin, vorteilhaft zu heiraten. Aber welcher Herrscher gibt seine Tochter an einen geschändeten Mann? Ich kann nicht in den Tempel. Ich glaube an Gott, aber ich kann nicht.“ Seine Worte wurden unverständlich und immer getragener, bis er schließlich ganz verstummte. Aufgewühlt ließ Iyen ihn zu Boden gleiten, ganz langsam, stützte ihm dabei den Kopf und Nacken ab. Rouven seufzte, murmelte: „… kann nicht … Iyen …“
    „Schlaf, ruh dich aus“, flüsterte Iyen und küsste ihn auf die Stirn. Er gab es auf sich zu fragen, warum er solche Dinge tat. Offenkundig war er hoffnungslos verloren.
     
    Erst als Iyen sicher war, dass Rouven fest schlief, schlich er fort, um sich zu waschen und etwas zu essen zu finden. Doch noch, bevor er das Flussufer erreicht hatte, erstarrte er: Auf der anderen Seite sah er Bero, der am Boden kniete und dort etwas zu suchen – oder untersuchen – schien; von Jarne war nichts zu sehen, doch Iyen war sich sicher, dass er nicht weit entfernt sein konnte. Verborgen hinter niedrigen Sträuchern schob er sich so nah wie möglich heran und beobachtete seinen ehemaligen Bruder im Kampfe. Noch einen Augenblick kauerte Bero dort zwischen nassen Steinen und vergilbten Sommergras; dann erhob sich der Oshanta mit einer fließenden Bewegung, blickte sich rasch um und schlug, ungeachtet der drückenden Hitze, seine Kapuze über den Kopf. Iyen blieb still in seinem Versteck, woran er gut tat, denn kurz danach erschien Jarne und eilte in dieselbe Richtung, in der Bero verschwunden war; vermutlich waren dort die Pferde angebunden. Zweifellos ahnten die beiden, dass Iyen hier irgendwo an Land gegangen sein musste, hatten sicherlich Fußspuren gefunden; sie vermuteten ihn allerdings auf der falschen Flussseite, dort, wo der Wald wesentlich dichter war. Ein Risiko, das Iyen absichtlich auf sich genommen hatte, in der Hoffnung, seine Kampfbrüder täuschen zu können. Bis jetzt war es gut gegangen …
    Noch drei, vier Tage, dann werden sie

Weitere Kostenlose Bücher