Nayidenmond (German Edition)
sein; er war von Schleierwolken verhangen, die einen seltsam grünlichen Schimmer besaßen.
Grünliche Schleier?, wunderte er sich. Er war geistig zu beschäftigt, hin- und hergerissen, was er jetzt tun sollte, um sich zu vergewissern – oder auch nur darüber nachzudenken, warum ihm ein eisiger Schauder über den Rücken lief.
Als sich Schritte der Tür näherten, war Iyen sofort hellwach.
„Gute Nacht, Herr“, sagte eine fremde Männerstimme, offenkundig einer der Wächter.
„Euch ebenfalls eine ruhige Nacht.“
Rouven.
Iyen lauschte in sich hinein, ob der Klang dieser Stimme etwas in ihm weckte, worüber er sich Sorgen machen müsste und war zufrieden mit sich, als alles in ihm ruhig blieb. Die Entscheidung darüber, was er sonst empfand, hatte er mittlerweile erfolgreich verdrängt.
Die Tür öffnete und schloss sich, ein Paar nackte Füße traten in Iyens Blickfeld, die den ganzen Raum durchschritten. Rouven zündete mehrere Kerzen an, bis alles angenehm erleuchtet war.
„Hey Sima, du Schlafmütze, du würdest wohl sogar einen Einbrecher nur schläfrig anhecheln, hm?“ Iyen sah, wie er niederkniete und den Hund liebevoll kraulte. Dann ging er hinüber zum Waschtisch, wo alles für ihn bereitgelegt worden war. Iyens Puls beschleunigte sich zu seinem maßlosen Ärger, als er nach und nach Kleidungsstücke zu Boden fallen sah und hörte, wie sich Rouven wusch. Unwillkürlich sah er den schlanken, wohlgeformten nackten Körper vor sich, als wäre es erst gestern gewesen, dass er Rouven zuletzt im Arm gehalten hatte.
Vielleicht hätte er doch gelegentlich zu einer Hure gehen sollen? Iyen hatte seit sechs Jahren keinen Menschen mehr berührt, zumindest nicht auf begehrliche Weise. Eine wirklich lange Zeit…
Rouven ging zum Schreibpult am Fenster – es war mit Holzläden verschlossen, kein Eindringling könnte lautlos auf diesem Weg hereinkommen – und murmelte dabei etwas Unverständliches vor sich hin. Eine Weile lang hörte Iyen das Kratzen eines Schreibgriffels auf einer Wachstafel; dann endlich löschte Rouven alle Lichter bis auf eine einzige Kerze auf einem niedrigen Hocker neben seinem Bett und legte sich mit einem müden Seufzer hin. Iyen wartete weiter, bis über ihm völlige Ruhe eingekehrt war, abgesehen von langsamen und tiefen Atemzügen, die bezeugten, dass Rouven schlief.
Lautlos kroch Iyen unter dem Bett hervor und beugte sich über den jungen Mann, genau wie schon sechs Jahre zuvor. Er schlief noch immer nackt und brauchte in dieser lauen Sommernacht keine Decke. Iyen musste bei dem Anblick unverhüllter Verlockung die Augen schließen und um Selbstkontrolle kämpfen. Keine guten Voraussetzungen!
Ich bin und bleibe ein Oshanta , beschwor er sich selbst. Ich beherrsche jeden Muskel meines Leibes, jedes Streben meines Geistes, jede Regung meiner Seele. Ich bin Herr meiner Triebe. Ich bin ein Oshanta und werde es bis zum Ende sein.
Auch, wenn er die Bruderschaft verlassen hatte, Iyen hatte nie aufgehört, sich der harten Disziplin zu unterwerfen, die einen Oshanta ausmachte, nicht einen Tag lang das Training vernachlässigt, um seine Fähigkeiten nicht nur zu erhalten, sondern noch weiter zu vervollkommnen.
Als er spürte, dass er sich wieder im Griff hatte, öffnete er die Lider und riskierte einen zweiten Blick auf die schlafende Gestalt, die seitlich zu ihm gewandt dalag. Die Zeit hatte es wirklich gut mit Rouven gemeint: Aus dem Jungen war ein Mann geworden. Die Schultern waren breiter als damals, die Hüften schmaler, die Muskeln stärker ausgeprägt. Alles Weiche, Unschuldige, das in dem so empfindungsstarken Gesicht vorgeherrscht hatte, war verschwunden und hatte der reiferen Schönheit des jungen Erwachsenen Platz gemacht. Selbst jetzt, in tiefem Schlaf, besaß Rouven diese kraftvolle Ausstrahlung, die Iyen von Anfang an fasziniert hatte. Das dunkle Haar war noch immer so widerspenstig, nur etwas länger als damals. Der Impuls, nach den leicht gelockten Strähnen zu greifen und sie weich durch seine Finger gleiten zu spüren war mächtig, doch Iyen kämpfte verbissen dagegen an.
Er setzte sich neben ihm nieder, legte ihm mit einem Ruck eine Hand auf den Mund, hielt die andere bereit, um ihn zu hindern, sich zu wehren. Rouven fuhr hoch, riss die Augen weit auf – Iyen hatte verdrängt, wie schön diese grünen Tiefen waren! – und starrte ihn an.
Binnen weniger Herzschläge wich die wilde Panik in seinem Gesicht einem Kaleidoskop von Empfindungen, das sich
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