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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Es war kein guter Treffer, Jarne wusste sofort, er würde langsam und qualvoll zugrunde gehen. Doch das war ihm gleichgültig, mehr noch: So war es für einen Oshanta richtig. Ein dreckiges, unmenschliches Biest, nur für den Tod gezüchtet, sollte nicht zu leicht sterben.
    Jarne sank zu Boden, brauchte dabei lange, um zu begreifen, dass Rouven ihn stützte. Dummer Junge, was machte er denn jetzt noch hier?
    „Geh, rette Iyen!“, keuchte er.
    „Ein Opfer soll nicht leiden“, erwiderte Rouven. Trauer schimmerte in seinen Augen, Bedauern und tiefe Niedergeschlagenheit strahlten von ihm aus. Wie seltsam – Jarne hatte nie geglaubt, dass irgendjemand über seinen Tod auch nur eine Träne vergießen könnte …
    Ein zweiter Dolch erschien in Rouvens Händen. Oder hatte er den anderen herausgerissen?
    „Die Ehre der Oshanta und das Herz eines Menschen – wäre Verschwendung … wirklich …“, wisperte Jarne. Er nickte Rouven entschlossen zu. Dann war es vorbei; mit der rasch auf ihn niederfallenden Finsternis kam der Frieden, auf den Jarne sein Leben lang vergeblich gewartet hatte.

14.
     
    „Nicht in den Sternen ist dein Schicksal geschrieben, nicht Gott lenkt deine Schritte über den Weg, den er unter deine Füße legte; du selbst bestimmst es durch deine Taten, deinen Willen. Doch weil sich alles unter dem Himmel wiederholt, immer und immer wieder, muss der Weise nur den Rhythmus der großen Muster kennen, um die Zukunft zu erfahren; das Licht der Sterne weist ihm dabei die Richtung.“
    Aus: „Allerlei Sternengebilde“, von Ebano dem Weisen
     
    Tränenblind fuhr Rouven in die Höhe. Er hörte Iyen und Bero kämpfen, wischte sich hastig über das Gesicht, um sehen zu können, was geschah. Beinahe hundert Herzschläge lang starrte er mit offenem Mund auf die beiden Männer. Er wusste, dass sie bereits erschöpft waren, vor allem Iyen; trotzdem fochten sie ihr Duell mit atemberaubender Geschwindigkeit und Präzision.
    Dann aber stolperte Iyen, schaffte es gerade noch, Beros Klinge auszuweichen. Er blieb auf den Knien liegen, ließ augenblicklich sein Schwert fallen und breitete die Arme aus. Rouven wusste, damit hatte Iyen den Kampf aufgegeben und war bereit, den Tod zu empfangen. Bero ließ sich Zeit, vielleicht aus Misstrauen, ging langsam auf Iyen zu, die Waffe erhoben.
    „Verloren, Verräter!“, zischte er und holte aus.
    Rouven dachte nichts, sein Bewusstsein war ein großes blankes Nichts aus Entsetzen. Er handelte rein aus Reflex. Wie das Schwert in seine Hände gekommen war, wusste er nicht; ohne zu zielen, schleuderte er es auf den Mann zu, der seit sechs Jahren seine Albträume beherrschte. Es traf Bero am Arm. Keine schwere Wunde, doch sie ließ ihn im Schwung verharren, für einen entscheidenden Herzschlag lang. Iyen warf sich zur Seite, Beros Schlag ging fehl. Schneller als Rouven mit den Augen folgen konnte, hielt erst Iyen einen Wurfdolch in der Hand, dann taumelte Bero bereits getroffen zurück – und brach röchelnd zusammen. Es war vorbei.
    Innerlich wie betäubt sah Rouven auf Jarne hinab, der sich geopfert hatte, der Himmel mochte wissen, warum. Er war so sicher gewesen, dass er sterben würde, als Jarne ihn niedergezwungen hatte … Nun musste er erst einmal begreifen, dass er wirklich noch lebte. Dass Iyen noch lebte. Dass der Albtraum hier und jetzt geendet hatte.
    „Ich will nach Hause“, murmelte er, ohne nachzudenken. Er wollte einfach nur fort von hier, an einen Ort ohne Blut, Leichen, Angst und Tod. Egal wohin, einfach nur fort.
    „Bald“, hörte er Iyen hinter sich und wirbelte erschrocken zu ihm herum. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er ihn an, fand sich dann in seinen Armen wieder. Dort, wo er hingehörte. Den Herzschlag und den Atem dieses Mannes zu hören und zu fühlen, von ihm gehalten zu werden: Das war alles, was er wollte.
    „Ich bringe dich bald nach Hause. Ich verspreche es dir“, sagte Iyen sanft und strich ihm über die Schultern. „Vorher sollten wir allerdings herausfinden, wer dein Feind ist, sonst wirst du es nie hinter dir lassen können.“
    „Meinst du, er ist schon dort?“, fragte Rouven, ohne sich zu rühren. Er zitterte wie ein Fieberkranker, begriff den Sinn seiner eigenen Worte kaum.
    „Noch nicht, es ist heller Tag. Heute Nacht – nun, ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden.“ Auch Iyen machte keinerlei Anstalten, sich aus der Umarmung zu lösen und zitterte ebenso erbärmlich. Er hatte mehrere Wunden an Armen und Brust

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