Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
11.
Ebulan krachte an die Wand seiner Kabine, korrigierte zu stark mit der AG und rammte an die Decke. Er sendete den Abschaltcode; das Antwortsignal verblasste, um sich dann rasch wieder zu etablieren. Es wollte einfach nicht aufhören und war viel zu stark: ein Leermensch, der enthauptet war und trotzdem weitersendete; einer, der verbrannt war und ertrank; und ein dritter, dem am halben Körper das Fleisch fehlte. Ebulan hatte noch nie solche Schmerzen gehabt. Er versuchte, sich die Kästen des Steuer-Interfaces vom Körper zu reißen, und die Stümpfe, die von seinen Beinen übrig waren, wedelten und zitterten. Er brachte nichts mehr selbst zuwege. In Panik sendete er ein Signal und rief damit seine zehn verbliebenen Leermenschen herbei. Er musste diese Kästen sofort loswerden!
Die Leermenschen betraten seine Kabine, bewegten sich jedoch unsicher unter dem Einfluss von Ebulans sprunghafter Steuerung. Auf seine Anweisung hin traten zwei vor; sie hatten Panzerschalenschneider dabei. Einen der beiden wies er an, den Steuerkasten für den am Strand zurückgelassenen Leermenschen zu entfernen, der nach wie vor vergeblich aufzustehen versuchte. Das Schneidegerät drang zu tief ein, und Ebulan zuckte vor, rammte den Leermenschen, der es führte, an die Wand und schnitt ihn mit dem Bogenrand des Rückenpanzers entzwei.
Keine Schmerzen. Das Antwortsignal des gerade zerschnittenen Leermenschen schaltete sich sofort ab. Ebulan wich von den beiden zitternden Hälften dessen zurück, was vor Jahrhunderten einmal ein menschliches Wesen gewesen war. Etwas musste von außen das Antwortsignal beeinflussen; es war kein Fehler der Steuerkästen … Nein, das war unmöglich; die Codes waren schlicht nicht zu knacken! Ebulan verbannte diesen abwegigen Gedanken und konzentrierte sich darauf, einen zweiten Leermenschen zu lenken. Dieser schnitt vorsichtig zwischen den Steuerkästen und Ebulans Panzer hindurch und trennte die Faserverbindungen zum Nervensystem des Pradors. Als der Leermensch zwischendurch besonders tief einschnitt, ertrug Ebulan diesen vergleichsweise leichten Schmerz ohne Reaktion und begann nun, nach eigener Meinung, klarer zu denken.
Ebulan stoppte den Leermenschen, als dieser den fünften Kasten erreichte, und knirschte mit den Mandibeln, während er die anhaltenden Schmerzen aus diesem Kasten ertrug. Alles zu seiner Zeit und an seinem Platz. Er konzentrierte sich mit aller Kraft auf diesen Kasten: versengte Haut in Salzwasser … die anhaltende Empfindung des Ertrinkens, während sich der Körper mit Virenfasern füllte, die darauf ausgelegt waren, dem Wasser Sauerstoff zu entziehen … die Angriffe von Blutegeln, die durch die Brandlöcher in Schiffsrumpf und Luke eindrangen … Ebulan entrang der Sprecherin eine Spur von Bewegung, indem er sie veranlasste, das verbliebene Auge zu öffnen. Zu dunkel. Er wies sie an, sich in dem mit Wasser gefüllten Laderaum umzudrehen und dabei mit dem verbliebenen Arm zu rudern. Es dauerte albtraumhaft lange, bis die Lichter vom Display des Motors in Sicht kamen. Er wies die Sprecherin an, sich auf den Motor zuzukämpfen, dessen Abdeckung zu packen und herunterzureißen, indem sie sich an der Bordwand abstützte. So legte sie den blinkenden Zünder frei. Er verankerte einen Befehl mit Zeitverzögerung in ihrem Sklavenregler, zog sich von ihr zurück und wies den Leermenschen mit dem Schalenschneider an, auch diesen Steuerkasten zu entfernen. Jetzt zur Quelle seiner Pein.
Verräter. Verräter befanden sich an Bord seines Raumschiffes. Natürlich nicht die Leermenschen, die ihn genauso wenig verraten konnten, wie es die Triebwerke vermochten. Er drehte sich mitten in der Luft um und nahm die neun restlichen Leermenschen in Augenschein, um sie dann anzuweisen, auf ihre Posten zurückzukehren. Einer hinter dem anderen verließen sie die Kabine, und die Tür schloss sich hinter ihnen. Durch ihre Augen erkannte er, dass draußen alles so aussah, wie es sollte. Ebulan blubberte und zischte.
Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre Vrell sein Hauptverdächtiger gewesen. Aber Vrell war derzeit nicht hier, und es wäre töricht von dem Heranwachsenden gewesen, hätte er einen Angriff angezettelt, aus dem er selbst keinen Vorteil schlagen konnte. Und Vrell war nicht so dumm. Tatsächlich hatte Ebulan erst kürzlich wieder hinausgeschoben, ihn zu töten, denn trotz seines kurz bevorstehenden Übergangs ins Erwachsenenalter hatte sich Vrell immer als sehr tüchtig und nützlich erwiesen.
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