Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
infizieren«, stellte die Intelligenz fest.
»Vielleicht. Jedenfalls nicht bewusst. Jetzt liegt das Fait accompli vor. Worin bestehen die Nachteile?«
»Ein paar gibt es. Falls du während der ersten hundert Jahre lange genug eine Neuinfektion vermeidest, stirbt das Virus im Körper ab, und während es zerfällt, werden die meisten deiner wichtigsten Organe versagen. Deine Schmerzempfindlichkeit wird stark vermindert, obwohl manche Leute das vielleicht nicht als Nachteil betrachten. Du wirst anfälliger für bestimmte Pilzinfektionen. Drei Krankheiten sind bekannt, die dich in einem langsamen und schmerzhaften Prozess umbringen würden, während du sie vorher überlebt hättest … Es ist eine lange Liste, und du findest sie in diesem Informationspaket.«
»Vorteile?«
»Extreme Widerstandsfähigkeit gegen Verletzungen. Allmähliche Zunahme der Körperkraft. Höhere Widerstandskraft gegen andere Viren – von denen dich manche umbringen würden, hättest du dir nicht dieses Virus zugezogen. Und natürlich die verminderte Schmerzempfindlichkeit -falls du sie als Vorteil betrachtest.«
Janer musterte die Hornisse, die auf dem Tisch neben dem Bett hockte. Schwarmintelligenzen spürten keinen Schmerz. Wie hätte auch etwas, das über Tausende von Nestern verteilt war, Schmerz fühlen können? Wie konnte eine Intelligenz, deren Gedanken sich früher mit dem langsamen Tempo des Pheromon-Austausches bewegt hatten, körperliche Verletzung verstehen?
»Würdest du Schmerz als Vorteil betrachten?«
»Ich betrachte alles als Vorteil, was meine Empfänglichkeit für die Umwelt erhöht. Die Einheit, die gerade bei dir ist, ist irgendwann vergangene Nacht gestorben, und dabei habe ich nicht mehr erlebt als den Verlust sensorischer Eingaben von jenem Planeten.«
Janer inspizierte die Hornisse genauer. Er hatte es gar nicht bemerkt. Er stieß sie mit dem Finger an, und sie fiel auf den Rücken, so dass die Beine in die Luft ragten wie bei einem Nadelkissen.
»Was hat sie umgebracht?«, fragte er.
»Das Gleiche, was dich infiziert hat«, antwortete der Schwarm.
»Hattest du nicht gesagt, dass diese Hornissen verändert wurden?«
»Zwei unterschiedliche Veränderungen, von denen ich einer nur geringe Erfolgschancen gab.«
»Ich kapiere es nicht«, sagte Janer. »Wie hat sie sich infiziert? Sie kann doch nicht gebissen worden sein.«
»Im Gegensatz zu Menschen können Insekten hier eine Infektion nicht vermeiden. Die Virensporen, die sich in einem Menschen erst nach massiver Infusion halten – wie durch einen Blutegelbiss –, dringen in Insekten durch deren Atemlöcher ein«, lautete die sarkastische Antwort des Schwarms.
»Ich dachte, das Virus würde außerhalb eines Körpers nicht lange überleben.«
»Das tut es auch nicht. Die Sporen dringen ein, wenn das Insekt etwas Infiziertes frisst. Sie dringen sogar ein, wenn es auf etwas Infiziertem landet oder auch nur daran vorbeifliegt. Bei Insekten sind nur wenige lebensfähige Sporen nötig damit sich das Virus etablieren kann.«
»Warum? Warum läuft es so anders als bei Menschen?«
»Offensichtlich sind wir eine primitivere Lebensform«, antwortete der Schwarm.
»Ach, du armes Ding, du«, sagte Janer.
»Natürlich meinte ich damit die körperliche Seite«, erwiderte der Schwarm. »Nicht die intellektuelle.«
»Ja, natürlich«, sagte Janer. Er schob die Füße unter der Decke hervor und setzte sich auf die Bettkante. Er entfernte den Verband von der Hand und nahm die hässliche Wunde in Augenschein, in die, wie es den Anschein hatte, ein blauer Ring eintätowiert war. Er war jetzt ein Hooper. Er trug das Zeichen.
»Was möchtest du mit diesem … dieser verlorenen sensorischen Eingabe anfangen?«, fragte er und drückte den Verband wieder an.
»Schick sie zurück«, sagte die Intelligenz. »Nach wie vor gibt es viel zu lernen über das Virus und seine Wirkung auf die Physiologie der Hautflüger.«
Janer griff unter die Koje und zog den Rucksack hervor. Diesem entnahm er einen Zweierpack aus aufgerauten Aluminiumzylindern. Jeder Zylinder war zehn Zentimeter lang und hatte einen Durchmesser von drei Zentimetern. Ein Ende war abgerundet und das andere ein Stachel. Er wickelte einen Zylinder aus der Plastikverpackung, drückte den Fingernagel in eine Einkerbung und öffnete damit eine kleine Klappe. Mit Hilfe der Plastikverpackung hob er die tote Hornisse auf und steckte sie in den Zylinder. Die Jahre der Dienstverpflichtung und die anschließenden zwei
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