Neandermord
ist alles, was wir wissen wollen. Durch den Dreck müssen Sie sicher eine Menge putzen.«
»Das ist eine wahre Schande. Als wenn ich meine Zeit gestohlen hätte.«
»Na, sehen Sie. Und das sollen die Leute im Bergischen Land erfahren. Dass man sich so was nicht bieten lassen kann.«
»Das sagen Sie richtig.«
Plötzlich taute die Frau auf. Sie fasste in ihre Schürze und klimperte mit einem Schlüssel. »Ich zeige Ihnen mal was, das können Sie schreiben.« Sie drängte sich heraus und zog sorgfältig die Haustür hinter sich zu. »Kommen Sie mit.«
Wir folgten ihr um das Haus in den Garten. Rasen, eingegrenzt von niedrigen Büschen. In der Mitte stand eine Wäschespinne.
»Da kann ich seit Wochen nichts dranhängen«, sagte sie. »Alles voll von diesem Lehmstaub. Das ist eine Riesensauerei. Wenn der Bauer da drüben aufs Feld geht und der ganze Mist hier rüberweht, ist das schon schlimm genug. Aber das macht er ja nicht jeden Tag. Das hier ist viel schlimmer. Vor allem bei der Trockenheit.«
Jutta nickte. Sie tat zustimmend. »Dagegen müssen wir unbedingt vorgehen. Wenn die normale Hausfrau nicht mal mehr ihre Wäsche aufhängen kann …«
Frau Strünkermann fühlte sich verstanden.
»Was sind das eigentlich für Leute, die da bauen?«, versuchte ich das Gespräch langsam in eine andere Richtung zu lenken.
»Irgendeine Firma halt«, sagte Frau Strünkermann.
»Wer hat der Firma das Grundstück verkauft?«
»Das war doch der alte Rath«, sagte sie mit einem Tonfall in der Stimme, als wäre diese Information allgemein bekannt.
»Wohnt er auch hier?«, fragte Jutta.
Frau Strünkermann blickte traurig auf ihre Wäschespinne. Dann kratzte sie sich am Kopf. Schließlich sah sie uns wieder an, als hätte sie sich die ganze Zeit Gedanken darüber gemacht, wie sie in diesen harten Zeiten ihre Wäsche trocken bekam.
»Der ist im Altersheim«, sagte sie.
»In welchem?«
Sie deutete irgendwohin. Ich folgte der Richtung ihres Fingers. Dort war aber nur freies Feld. Ganz weit hinten ragte ein Stück Dach über den Horizont. Ich konnte mich aber auch täuschen.
»Dahinten hat er gewohnt. Bis vorletztes Jahr noch.«
»Wohnen dort jetzt Verwandte von ihm?«, fragte Jutta.
Frau Strünkermann stand nur da und blickte zum Horizont, als würde ihr erst jetzt richtig aufgehen, dass ein langjähriger Nachbar nicht mehr da war.
»Können Sie uns nicht sagen, in welchem Altersheim er lebt?«, hakte ich nach. »Wir würden auch gerne mit ihm sprechen.«
»Solingen, hat es geheißen. Das Heim ist in Solingen.«
In Solingen gab es sicher eine Menge Heime. Und bis wir das richtige gefunden hatten …
»Wissen Sie, in welchem?«, fragte ich.
»Keine Ahnung.«
»Aber Sie wissen doch sicher, wie Herr Rath mit Vornamen heißt.«
»Friedolin Rath«, sagte Frau Strünkermann.
Immerhin etwas.
»Vielen Dank für das Gespräch«, sagte ich. »Darüber können wir einen schönen Artikel schreiben.«
»Was jetzt?«, fragte ich, als wir die Straße wieder erreicht hatten.
»Rüber zu dem anderen Haus. Da wohnt vielleicht einer, der uns weiter helfen kann.«
Wir setzten uns auf die Maschine. Zweimal erwischten wir Sackgassen, die auf dem Feld endeten. Dann fuhren wir noch mal zum Haus von Frau Strünkermann zurück, um uns zu orientieren. Schließlich fanden wir einen unasphaltierten Feldweg, der auf das Haus zuführte.
Das Anwesen bestand aus mehreren Gebäuden - einem Wohnhaus, einer alten, zur Garage umgebauten Scheune aus dunklem Holz und mehreren Schuppen. Ich sah auf den ersten Blick, dass hier niemand wohnte. Das Unkraut schoss aus allen Ecken. Am Wohnhaus war Farbe abgeblättert. An der Haustür hing ein großes Spinnennetz.
»Schau mal hier«, sagte Jutta. Sie deutete auf einen verblichenen Zettel, den jemand an den Briefkasten geklebt hatte.
Ich versuchte zu entziffern, was darauf stand.
»Post bitte nachsenden«, las ich. »Pflegeheim … Solingen …« Eine Adresse.
»Siehst du«, sagte Jutta. »So einfach ist das.«
20. Kapitel
Ein blitzblank geputzter Gang mit dunkelblauem Kunststoffbelag. Jeder Schritt hinterließ ein leises Quietschen. Miefiger Geruch - eine Mischung aus Putzmitteln, schlechtem Atem, ungereinigten Gebissen und Inkontinenz. Breite lackierte Türen in schmutzigem Weiß.
Ab und zu öffnete sich der Gang zu kleinen Nischen, die mit Stühlen bestückt waren. Und dort saßen sehr alte Leute und sahen uns neugierig an. Ich drehte mich im Vorbeigehen um und bemerkte, dass sie uns stumm mit
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