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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schlimmer ausgehen können.«
    »Das kannst du zweimal sagen.«
    »Der edle Ritter lebe hoch.« Naylor lachte. »Siehst du ihn wieder?«
    Sie blickte zum Fenster hinaus auf das Menschenknäuel, das an der Ampel darauf wartete, die Straße überqueren zu können. Ein Mann in einem orangefarbenen Kittel fegte vor dem Café Royal die Abfälle zusammen. »Ich glaube nicht.« Sie wusste selbst nicht, ob sie das wirklich glaubte, und auch nicht, ob sie es wollte.
    Sie waren ungefähr auf der Höhe des Co-op, als im Radio die Meldung durchgegeben wurde, und Kevin drehte den Ton lauter, damit sie beide die Stimme auf dem Band hören konnten.
     
    Robin Hidden hatte seit Tagen kaum einen Fuß vor die Tür seiner Wohnung gesetzt. Anrufe aus seiner Firma mit Fragen nach dem Grund seiner Abwesenheit blieben unbeantwortet. Die Post lag unten neben den alten Branchenverzeichnissen und dem Stapel Zeitungen, die jemand, in der Absicht, sie zur Papiertonne zu bringen, mit einer Schnur zusammengebunden und vergessen hatte. Robin ernährte sich von Tomaten aus der Dose, Käse, Müsli mit Pulvermilch. Er ließ den Fernseher den ganzen Tag ohne Ton laufen, das Radio etwas unter Zimmerlautstärke. Er löste Kreuzworträtsel, bügelte seine Hemden und bügelte sie noch einmal, kratzte jedes Fitzelchen Dreck von seinen Stiefeln, saß stundenlang über Karten, blätterte in diversen Wanderführern.
    Immer wieder schrieb er denselben Brief an Mark, eswar ungeheuer wichtig, ihn richtig hinzubekommen. Alles zu erklären. Mark war sein bester, sein einziger Freund, er musste ihm verständlich machen, warum Nancy ihm so viel bedeutete, wie sie sein Leben verändert hatte.
    An diesem Morgen war er seit kurz vor sechs auf, als es draußen noch finster und kalt gewesen war. Auf den schwarzen Bäumen und den Autodächern lag Raureif. Zerstreut trank er seinen Tee, während er mit immer neuen Entwürfen seines Briefs kämpfte. Seine Gedanken, in seinem Kopf ein einziges wirbelndes Durcheinander, entspannen sich auf dem Papier scheinbar klar Satz für Satz, bis sie sich am Schluss unentwirrbar verhedderten. Nancy, damals und heute, heute und damals, immer wieder. Immer. Die einzige Frau, die ihm, wenn auch nur für kurze Zeit, erlaubt hatte, der zu sein, der er war, die ihn als Mann akzeptiert hatte. Die ihn geliebt hatte. Ja, sie hatte ihn geliebt. Wieder wurde ein Blatt Papier zusammengeknüllt und weggeworfen.
    Lieber Mark,
    Ich hoffe, es macht dir nichts aus   …
    Als er Nancys Namen hörte, ließ er den Füller fallen. Die Worte des Nachrichtensprechers, die Stimme auf dem Tonband verschwammen, noch während er zuhörte, zu Fetzen eines schrecklichen Traums, den er nie geträumt hatte. Beinahe noch bevor die Meldung beendet war, griff er zum Telefon.
     
    Harry und Clarise Phelan hatten kein Radio gehört. Sie erfuhren erst von der Existenz des Tonbands, als im Speisesaal ihres Hotels, wo sie beim Frühstück saßen, ein Zeitungsreporter erschien und sie nach ihrer Reaktion auf die neuen Entwicklungen fragte.
    »Sie nehmen uns jetzt zum Polizeirevier mit, junger Mann«, sagte Harry, der schon aufgesprungen war und seinen Mantel überzog, »und ich sag’s Ihnen unterwegs.«
     
    »Charlie!«
    Skelton stürmte in Resnicks Büro, ohne anzuklopfen, ohne ein Wort des Grußes zu Millington, der Resnick am Schreibtisch gegenübersaß.
    »Halten Sie mir Nancy Phelans Eltern vom Leib. Sie sind unten und regen sich wahnsinnig auf, und ich muss unbedingt noch diese Presseerklärung fertig machen und von oben absegnen lassen.«
    »Ich dachte, das wäre nicht mehr meine Sache. Ist nicht Inspector Siddons für die Zusammenarbeit mit den Phelans zuständig? Oder habe ich da was falsch verstanden?« Resnicks Ton hatte eine Schärfe, die den Superintendenten überraschte. Resnick selbst auch.
    »Herrgott noch mal, Charlie   …«
    Es war, soweit Resnick sich entsinnen konnte, das erste Mal, dass er Skelton mit geöffnetem Hemdkragen und auf Halbmast hängender Krawatte sah. Er wusste, dass der Mann ihm eigentlich leidtun müsste, aber er steckte selbst mitten in einem schlechten Tag. Vor wenigen Minuten hatte er Robin Hidden am Telefon gehabt, schluchzend und in Tränen aufgelöst. Erst nach fast einer Viertelstunde, nachdem er sich bereit erklärt hatte, auf der Dienststelle mit ihm zu sprechen, hatte er den Jungen beruhigen können. Resnick sah auf die Uhr, wahrscheinlich würde er gleich kommen.
    »Charlie, wenn ich die leiseste Ahnung hätte, wo sie ist,

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