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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Neues. Draußen war es eisig kalt, und auf seinem glatten Fell lag ein wenig Raureif.
    Resnick machte ihm etwas Milch warm und prüfte die Temperatur mit dem Finger, bevor er sie in den Napf goss. Und während der schwarze Kater sich schnurrend über die Milch hermachte, trank Resnick in kleinen Schluckenheißen schwarzen Kaffee: ihr geheimes Ritual, alle anderen schliefen noch.
    Die erste Meldung von Nancy Phelans Verschwinden würde um sechs in den Lokalnachrichten gebracht und eine Stunde später vielleicht als Kurzinformation landesweit übernommen werden. Jack Skelton hatte für neun Uhr eine Besprechung angesetzt. Alle Hinweise, die sie hatten, würden gesammelt, gesichtet und analysiert werden, bevor weitere Aufgaben vergeben und Entscheidungen darüber getroffen wurden, welche Befragungen weiterverfolgt, welche Lücken geschlossen werden mussten. Er dachte an den Schmerz und den Zorn des Vaters am Telefon. Wir tun alles, was in unserer Macht steht. Er erinnerte sich, wie Nancy in dem offenen roten Mantel, der ihr lose von den Schultern fiel, im leeren Dienstraum gestanden hatte. Er erinnerte sich an ihre Stimme, die ihn später an diesem Abend wie aus dem Nichts kommend überrascht hatte, an den hellen Glanz ihres Lächelns.
     
    »Gut, Herrschaften, kommen wir zur Sache, wenn es recht ist.«
    Der neue Chief Inspector, der am Polytechnikum in Wolverhampton studiert hatte, umgab sich mit seiner höheren Bildung wie mit einem Mantel der Erhabenheit, aber das Gewebe war dünn, nichts als arrogante Selbstgefälligkeit, die seine Herkunft aus dem tiefsten Black Country, Englands Kohlenpott, nicht verdecken konnte. Malcolm Grafton war erst kürzlich befördert worden, über die Köpfe von Resnick und Reg Cossall hinweg, obwohl er zehn Jahre jünger war als sie – wie Reg bei jeder Gelegenheit bemerkte.
    »Mensch, Charlie, kannst du dir vorstellen, dass er die beim Beförderungsgespräch anhatte?«
    Als Grafton sich wieder setzte und ein Bein über das andere schlug, zeigte sich eine Socke, die aussah, so sagte RegCossall, als hätte jemand sie in einen Topf Curry getaucht und dann zum Trocknen aufgehängt.
    Resnick brummte nur und behielt seine Meinung für sich; er hatte selbst vor einiger Zeit einmal bemerkt, dass er zweierlei Socken an den Füßen hatte, einen dunkelblauen und einen rostbraunen. Kein Wunder, dass er die Farbe des Wagens, der vermutlich auf Nancy Phelan gewartet hatte, nicht bestimmen konnte.
    »Gegenwärtig richten sich unsere Ermittlungen nach dem möglichen Entführer auf zwei Gruppen.« Jack Skelton war aufgestanden und wies auf die Tafeln zu seiner Rechten. »Auf Männerbekanntschaften oder wie immer man es nennen will, und auf Leute, die am Weihnachtsabend im Hotel gefeiert haben – da kommen zunächst alle in Frage, die auf derselben Architektenparty waren wie sie, letztlich aber jeder, der sich an dem Abend im Hotel aufgehalten hat.« Allgemeines Aufstöhnen aus den Reihen der versammelten Beamten. »Und schließlich auf einen Einzelnen, diesen Mann, Gary James, eine Möglichkeit, die wir im Moment allerdings eher zurückstellen.«
    Aller Augen folgten Skeltons Hand zu der Tafel, von der ihnen Garys Windhundgesicht entgegenblickte, einmal direkt von vorn und zweimal im Profil, links und rechts.
    »Wie die meisten von Ihnen vermutlich wissen«, fuhr Skelton fort, »kam es am selben Nachmittag im Wohnungsamt zu einem Vorfall, bei dem James gewalttätig wurde und verschiedene Angehörige des Personals bedrohte, unter ihnen die Vermisste, Nancy Phelan, die er eine Zeitlang in ihrem eigenen Büro gefangen hielt. Die Ursache seines Grolls gegen sie war zunächst offenbar ein Streit über den Wohnraum, der James, seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern zugeteilt worden war. Ob gestern etwas passiert ist, was dazu führte, dass die Sache noch weiterging, wissen wir nicht.«
    Skelton trat zurück und richtete den Blick durch die Schwaden aufsteigenden Zigarettenrauchs auf Lynn Kellogg. »Lynn, Sie haben doch gestern mit ihm gesprochen, soviel ich weiß.«
    Ein wenig befangen, an den Knöpfen ihrer Jacke nestelnd, stand Lynn auf.
    »Ja, ich habe gestern mit James gesprochen, Sir. Er behauptet, er sei am späteren Abend zu Hause gewesen, und seine Lebensgefährtin, Michelle Paley, hat das bestätigt.«
    »Glauben Sie denn, dass er die Wahrheit sagt?«
    »Ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln.«
    »Aber überzeugt sind Sie nicht?«
    Pause. »Nein, Sir.«
    »Sie meinen, die

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